Illustration in Blau-Grün-Tönen. Auf einer runden Fläche sind Wälder, Felder und ein Bauernhof, WindRäder und Solar-Panels sowie mehrere Menschen u.a. beim Spielen und Picknicken sowie mit KinderWagen und FahrRädern zu sehen. Es gibt mehrere Schilder "insolvenz", "Degrowth" und "Gemeinwohl".

Arbeit & Einkommen

Illustration in Blau-Grün-Tönen. Auf einer runden Fläche sind Wälder, Felder und ein Bauernhof, WindRäder und Solar-Panels sowie mehrere Menschen u.a. beim Spielen und Picknicken sowie mit KinderWagen und FahrRädern zu sehen. Es gibt mehrere Schilder "insolvenz", "Degrowth" und "Gemeinwohl".

Text (Stand 22.07.24)
Katharina van Treeck

Lektorat
Lea Musiolek
Isabel Schmittknecht

Review
Steffen Lange
Till van Treeck
Angelika Zahrnt

Illustration
Helena Detsch

2040 – Wir haben schon viel erreicht

Die Aufgabe der Wirtschaft – und damit auch der Arbeit – ist heute, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, ohne dabei die natürliche Umwelt zu schädigen.Raworth, K. Die Donut-Ökonomie. (Carl Hanser Verlag, 2018)

01 – In ihrem Buch „Die Donut-Ökonomie“ beschreibt Kate Raworth ein neues Wirtschaftsmodell, das die Erfüllung sozialer Bedürfnisse in Einklang mit der Umwelt bringt. Der Donut dient dabei als Metapher. Der äußere Rand des Donuts stellt die verschiedenen planetaren Grenzen dar. Diese Grenzen dürfen nicht überschritten werden, um eine Klimakatastrophe, Artensterben oder das Kippen der Meere zu vermeiden. Die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen sind im inneren Kreis des Donuts eingezeichnet. Dies sind zum Beispiel Wohnen, Ernährung, politische Teilhabe und Gesundheit, aber auch Einkommen und Arbeit. Hier soll kein Mangel herrschen. Zwischen diesen grundlegenden Bedürfnissen und den planetaren Grenzen entsteht in dieser Metapher der Spielraum für wirtschaftliches Handeln.Raworth, K. Die Donut-Ökonomie. (Carl Hanser Verlag, 2018)
02 – Im Essay „Batshit Jobs“ beschreibt Bue Rübner Hansen,Hansen, B. R. Batshit jobs – no-one should have to destroy the planet to make a living. openDemocracy https://www.opendemocracy.net/en/opendemocracyuk/batshit-jobs-no-one-should-have-to-destroy-the-planet-to-make-a-living/ (2019) wie Menschen nicht nur durch ihren Konsum, sondern auch durch den Zwang zur Erwerbsarbeit zur Klimakatastrophe beitragen. Er schildert, dass es einer Transformation sämtlicher Bereiche bedarf (Kultur, Produktion, Erwerbsarbeit), um zu verhindern, dass Menschen die Umwelt schädigen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Zu verändern, wie wir arbeiten, ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt, um eine große Transformation zu bewirken. Denn Wirtschaftswachstum, Einkommen und der damit verbundene Konsum kurbeln den Ressourcenverbrauch an.Seidl, I. & Zahrnt, A. Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft. (Metropolis, 2019) Bader, C., Hanbury, H., Neubert, S. & Moser, S. Weniger ist Mehr – Der dreifache Gewinn einer Reduktion der Erwerbsarbeitszeit. Weniger arbeiten als Transformationsstrategie für eine ökologischere, gerechtere und zufriedenere Gesellschaft – Implikationen für die Schweiz. CDE Working Papers 6, 46 (2020) In der Vergangenheit hat die deutsche Volkswirtschaft Produktivitätszuwächse (zum Beispiel durch neue Technologien) genutzt, um die Wirtschaft zu vergrößern und den Konsum zu steigern. Dabei gab es auch große Effizienzsteigerungen in der Nutzung von Gütern und Dienstleistungen, sodass der Ressourcenverbrauch pro Stück in vielen Bereichen sank. So verringerten sich zum Beispiel der Kraftstoffverbrauch eines Pkw (bezogen auf sein Gewicht), der Stromverbrauch eines Kühlschranks oder der Energieverbrauch eines Quadratmeters Wohnfläche. Diese Erfolge wurden jedoch meist durch die stetig wachsende Wirtschaft aufgezehrt: Menschen kauften immer besser ausgestattete Autos, die nun größer und schwerer sind,Linz, M. & Luhmann, H.-J. Energieeffizienz: Wie der Fortschritt bei der Energieeffizienz regelmäßig abprallt. Energie & Management 11 (2006) schafften sich immer mehr Küchengeräte an und lebten in größeren Wohnungen.Santarius, T. Umweltfreundlich mehr verbrauchen. In Le Monde diplomatique und Kolleg Postwachstumsgesellschaften (Hrsg.): Atlas der Globalisierung: Weniger wird mehr. in Atlas der Globalisierung: Weniger wird mehr. (eds. Le Monde diplomatique & Kolleg Postwachstumsgesellschaften) 56-57. (Le Monde diplomatique, 2015) Dies nennt man den Rebound-Effekt.de Haan, P., Peters, A., Semmling, E., Marth, H. & Kahlenborn, W. Rebound-Effekte: Ihre Bedeutung für die Umweltpolitik. UBA TEXTE 31/2015. 112 https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/rebound-effekte-ihre-bedeutung-fuer-die (2015) Auch das Potential der Informations- und Kommunikationstechnik, den Ressourcenverbrauch zu senken, wurde bisher durch diesen Effekt weitestgehend untergraben.Lange, S. et al. Projecting exposure to extreme climate impact events across six event categories and three spatial scales. Earth’s Future 8, 2020EF001616 (2020) Die Entkopplung von Wirtschaftswachstum, Einkommen und Erwerbsarbeit einerseits und Ressourcenverbrauch andererseits ist also (bisher) gesamtwirtschaftlich nicht in hinreichendem Maße gelungen. Um den Umweltverbrauch verlässlich senken zu können, bedarf es daher eines Wirtschaftssystems, das nicht auf Wachstum beruht (siehe unten).

Tätigkeiten wie Sorge-, Freiwilligen- und Subsistenzarbeit (zum Beispiel Reparieren) stehen heute gleichwertig neben der Erwerbsarbeit.

Sorgearbeit – auch Care-Arbeit genannt – umfasst alle Tätigkeiten, bei denen Menschen sich um sich selbst oder Andere kümmern. Hierzu gehören Kochen, Putzen und Körperpflege, aber auch Kinderbetreuung oder die Pflege bei Krankheit oder im Alter. Sorgearbeit gibt es sowohl unentlohnt im privaten Bereich als auch entlohnt als Erwerbsarbeit. Die Sorgearbeit erledigen bislang vor allem Frauen und People of Color.I.L.A. Kollektiv. Auf Kosten Anderer? Wie die imperiale Lebensweise ein gutes Leben für alle verhindert. (oekom verlag, 2017)

Dies hat den Alltag der Menschen stark verändert. Denn all diese verschiedenen Arbeiten sind heute gleichmäßiger zwischen den Menschen (insbesondere zwischen den Geschlechtern) verteilt und lassen sich gut miteinander vereinbaren.

Die Erwerbsarbeit nimmt heute einen geringeren Stellenwert ein als früher. Erwerbsarbeit und andere Tätigkeiten (wie Sorgearbeit) werden stattdessen als gleichwertig anerkannt, zusammen gedacht und sind miteinander vereinbar.Seidl, I. & Zahrnt, A. Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft. (Metropolis, 2019) Unter dem Begriff „Arbeit“ versteht die heutige Gesellschaft also viele verschiedene Tätigkeiten.Gerold, S. Neubewertungen von Arbeit: Vielfalt von Tätigkeiten ermöglichen und kombinieren. in Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft (eds. Seidl, I. & Zahrnt, A.) 59–73 (Metropolis, 2019) Dies war ein zentraler Schritt: Denn nur wenn beispielsweise Sorge- und Subsistenzarbeit (wie Kinderbetreuung und Reparieren) nicht weniger wert sind als Lohnarbeit, können wir innerhalb planetarer Grenzen wirtschaften.Seidl, I. & Zahrnt, A. Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft. (Metropolis, 2019)

Alle Erwerbsarbeitenden können ihre Wochen-, Jahres- und Lebensarbeitszeit individuell gestalten und an aktuelle Lebensumstände anpassen.von Jorck, G. & Schrader, U. Unternehmen als Gestalter nachhaltiger Arbeit. In: Seidl, Irmi und Zahrnt, Angelika. Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft. in Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft (eds. Seidl, I. & Zahrnt, A.) 95–109 (Metropolis, 2019)

Geringere Stundenanzahl beziehungsweise mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit führen zu besserer Gesundheit und Lebensqualität.Bader, C., Hanbury, H., Neubert, S. & Moser, S. Weniger ist Mehr – Der dreifache Gewinn einer Reduktion der Erwerbsarbeitszeit. Weniger arbeiten als Transformationsstrategie für eine ökologischere, gerechtere und zufriedenere Gesellschaft – Implikationen für die Schweiz. CDE Working Papers 6, 46 (2020) Speth, J. G., Costanza, R., Hassol, S. J. & Kasser, T. Scaling back our energy-hungry lifestyles means more of what matters, not less. Grist https://grist.org/article/scaling-back-our-energy-hungry-lifestyles-means-more-of-what-matters-not-le/ (2007)

Zudem ist die reguläre Vollzeit (für die Erwerbsarbeit) auf 30 bis 35 Stunden pro Woche verkürzt. Zunächst blieb das gesamte Volumen der Erwerbsarbeit allerdings konstant, da viele vormals in Teilzeit beschäftigte Menschen (insbesondere Frauen) in die verkürzte Vollzeit wechselten.

Jutta AllmendingerAllmendinger, J. & Holthoff, C. Expertin schlägt wegen Corona neue Arbeitszeit in Deutschland vor. www.t-online.de https://www.t-online.de/-/90651114 (2021) fordert schon seit langem eine neue verkürzte Vollzeit in Höhe von 32 Stunden. Sie argumentiert, dass als Folge nicht nur Sorgearbeit fairer zwischen den Geschlechtern verteilt wäre. Es würde Menschen auch Freiräume verschaffen, drängende Probleme wie den Klimawandel anzugehen und sich ehrenamtlich oder politisch zu engagieren. Gleichzeitig weist sie daraufhin, dass dies nicht nachteilig für die Wirtschaft wäre. AllmendingerAllmendinger, J. Arbeit und Leben: Das ganze Jahr herrscht Vorweihnachtsstress. In Süddeutsche Zeitung 21. Dezember 2014. Süddeutsche.de (2014) erklärt vielmehr, dass die Produktivität sogar steigen würde, da gut ausgebildete Frauen dann wieder vermehrt erwerbstätig wären. Der Beitrag „Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung der IG Metall 2017“ von Jutta Allmendinger und Julia HaarbrückerAllmendinger, J., Haarbrücker, J. & WZB Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung der IG Metall 2017. 32 http://hdl.handle.net/10419/162710 (2017) zeigt, dass die meisten Beschäftigten ihre Arbeitszeit auch reduzieren möchten – und zwar auf 35 Stunden oder weniger. Der Beitrag verweist auch auf weitere Studien, die zeigen, dass viele Frauen gerne von einer niedrigen in eine hohe Teilzeit (auf 32 bis 34 Stunden) wechseln möchten.

Sollte nicht bereits 2040 das gesamte Volumen der Erwerbsarbeit geringer ausfallen? In der Postwachstumsszene, also der Szene, die sich kritisch mit dem Streben nach unendlichem Wirtschaftswachstum auseinandersetzt, ist dies eine offene Debatte. Viele Wissenschaftler:innen – wie zum Beispiel Frigga Haug,Haug, F. Die Vier-in-Einem-Perspektive als Leitfaden für die Politik. DAS ARGUMENT 291 – Zeit der Übergänge – aber wohin? 291, 241–250 (2011) Kai Kuhnhenn et al. ,Kuhnhenn, K., Costa, L., Mahnke, E., Schneider, L. & Lange, S. A societal transformation scenario for staying below 1.5°C. vol. 23 (Heinrich Böll Foundation and Konzeptwerk Neue Ökonomie, 2020) Niko Paech,Paech, N. Vom vermeintlich nachhaltigen Wachstum zur Postwachstumsökonomie: die Wachstumsfrage als blinder Fleck innerhalb der Wirtschaftswissenschaften. in Ausgewachsen! : ökologische Gerechtigkeit, soziale Rechte, gutes Leben: ein Projekt von Attac 31–42 (VSA Verlag, 2011) Anna Coote et al.Coote, A., Franklin, J. & Simms, A. 21 Hours. Why a Shorter Working Week Can Help Us All to Flourish in the 21st Century. 40 https://neweconomics.org/2010/02/21-hours/ (2010) und Christoph Bader et al.Bader, C., Hanbury, H., Neubert, S. & Moser, S. Weniger ist Mehr – Der dreifache Gewinn einer Reduktion der Erwerbsarbeitszeit. Weniger arbeiten als Transformationsstrategie für eine ökologischere, gerechtere und zufriedenere Gesellschaft – Implikationen für die Schweiz. CDE Working Papers 6, 46 (2020) – argumentieren, dass eine Verringerung der Vollzeit auf 20 bis 25 Stunden pro Woche nicht nur möglich, sondern auch der zentrale Hebel ist, um den Ressourcenverbrauch zu senken. Denn ohne eine Verringerung des Wirtschaftswachstums – und somit auch der Erwerbsarbeit – haben Effizienzsteigerungen zwar das Potential, den Umweltverbrauch zu verringern – ein immer weiter steigender Konsum zehrt diese Erfolge jedoch wieder auf. So zeigt es die Vergangenheit (siehe Rebound-Effekt oben). Oft wird in dieser Debatte auf John Maynard KeynesKeynes, J. M. Economic Possibilities for Our Grandchildren. in Essays in Persuasion (ed. Keynes, J. M.) 321–332 (Palgrave Macmillan UK, 2010). doi:10.1007/978-1-349-59072-8_25 verwiesen. Dieser prognostizierte für 2030, dass angesichts stetig wachsender Produktivität nur noch eine wöchentliche Erwerbsarbeitszeit von 15 Stunden notwendig sein würde, um die Menschen angemessen zu versorgen. Weiter wird argumentiert, dass eine Reduktion der Arbeitszeit nicht nur grundlegend ist, um die ökologische Krise anzugehen, sondern auch die mit ihr verwandten sozialen, ökonomischen und politischen Krisen.Bader, C., Hanbury, H., Neubert, S. & Moser, S. Weniger ist Mehr – Der dreifache Gewinn einer Reduktion der Erwerbsarbeitszeit. Weniger arbeiten als Transformationsstrategie für eine ökologischere, gerechtere und zufriedenere Gesellschaft – Implikationen für die Schweiz. CDE Working Papers 6, 46 (2020) I.L.A. Kollektiv et al. Von A wie Arbeit bis Z wie Zukunft. Arbeiten und Wirtschaften in der Klimakrise. 55 https://kollektiv-periskop.org/projekte/von-a-wie-arbeit-bis-z-wie-zukunft/ (2019) So kann sie dazu beitragen, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit zu senken sowie andere Tätigkeiten neben der Erwerbsarbeit aufzuwerten.Bader, C., Hanbury, H., Neubert, S. & Moser, S. Weniger ist Mehr – Der dreifache Gewinn einer Reduktion der Erwerbsarbeitszeit. Weniger arbeiten als Transformationsstrategie für eine ökologischere, gerechtere und zufriedenere Gesellschaft – Implikationen für die Schweiz. CDE Working Papers 6, 46 (2020) Hermann, C. Capitalism and the Political Economy of Work Time. (Routledge & CRC Press, 2015) I.L.A. Kollektiv et al. Von A wie Arbeit bis Z wie Zukunft. Arbeiten und Wirtschaften in der Klimakrise. 55 https://kollektiv-periskop.org/projekte/von-a-wie-arbeit-bis-z-wie-zukunft/ (2019)

Kann die Transformation gelingen, wenn weniger Arbeitskraft zur Verfügung steht? Wenn wir alle Menschen versorgen wollen, wird es schwierig, sowohl weniger Kapital und natürliche Ressourcen in der Produktion einzusetzen als auch die Erwerbsarbeitszeit zu senken.Sorman, A. H. & Giampietro, M. The energetic metabolism of societies and the degrowth paradigm: analyzing biophysical constraints and realities. Journal of Cleaner Production 38, 80–93 (2013) Denn energie- und ressourcenintensive Technologien werden wir durch umweltschonende Technologien ersetzen müssen. Diese sind jedoch arbeitsintensiver, zum Beispiel in der Landwirtschaft.Gottwald, F.-T., Seidl, I. & Zahrnt, A. Tätigsein in der Landwirtschaft. Agrarkultur als Leitkonzept. In: Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft. Hgs.: I. Seidl & A. Zahrnt. in Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft (eds. Seidl, I. & Zahrnt, A.) 14 (Metropolis, 2019) Außerdem wird argumentiert, dass in den kommenden Jahrzehnten ein enormer Umbau der Infrastruktur (insbesondere im Bereich Gebäude, Energie und Verkehr) nötig sein wird, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Dies erhöht die Nachfrage nach Arbeitskraft.Sorman, A. H. & Giampietro, M. The energetic metabolism of societies and the degrowth paradigm: analyzing biophysical constraints and realities. Journal of Cleaner Production 38, 80–93 (2013) Prognos AG, Öko-Institut e.V., & Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH. Klimaneutrales Deutschland. In drei Schritten zu null Treibhausgasen bis 2050 über ein Zwischenziel von -65 % im Jahr 2030 als Teil des EU-Green-Deals. Im Auftrag von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung Klimaneutralität. 180 https://www.agora-energiewende.de/veroeffentlichungen/klimaneutrales-deutschland/ (2020) Geinitz, C. Energiewende in Deutschland: Arbeitskräftemangel im Klimaschutz. FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung (2021) Allein der Ausbau der Wind- und Solarenergie benötigt Schätzungen zufolge mindestens 250000 Vollzeitarbeitsplätze.Gerhards, C. et al. Klimaverträgliche Energieversorgung für Deutschland – 16 Orientierungspunkte / Climate-friendly energy supply for Germany—16 points of orientation. 1–55 https://zenodo.org/record/4409334 (2021) doi:10.5281/ZENODO.4409334 Auch der Ausbau arbeitsintensiver Sektoren wie Sorge und Reparatur verstärkt diesen Trend. Es bleibt also eine offene Frage, ob und wann (beispielsweise nach dem umfassenden Umbau der Infrastruktur, das heißt nach 2040) wir weniger lohnarbeiten werden. Dies ist auch davon abhängig, wie viele Tätigkeiten wir über den Arbeitsmarkt organisieren.

Menschen, die in ihrem Job vorher 40 Stunden oder mehr gearbeitet haben, haben heute hingegen mehr Freiraum für andere Tätigkeiten (zum Beispiel Sorgearbeit).

Martin Pullinger geht in seinem Artikel „Working time reduction policy in a sustainable economy: Criteria and options for its design“Pullinger, M. Working time reduction policy in a sustainable economy: Criteria and options for its design. Ecological Economics 103, 11–19 (2014) der Frage nach, wie Erwerbsarbeitszeit reduziert werden kann, ohne dabei alte Rollenbilder (weil eventuell vermehrt Frauen in Teilzeit gehen würden) und klimaschädliche Freizeitaktivitäten zu bestärken (weil Menschen eventuell öfters in den Urlaub fliegen würden, siehe auchHanbury, H., Bader, C. & Moser, S. Reducing Working Hours as a Means to Foster Low(er)-Carbon Lifestyles? An Exploratory Study on Swiss Employees. Sustainability 11, 2024 (2019)).

Dies setzte eine Diskussion für weitere Arbeitszeitverkürzungen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts in Gang – ein zentraler Hebel, um eine Wirtschaft ohne Wachstum zu schaffen.

Oftmals wird angenommen, dass nur eine wachsende Wirtschaft – mit steigenden Einkommen – ein gutes Leben für alle Menschen schaffen kann. Grünes Wachstum scheint die Lösung zu sein, um dieses Ziel auf ökologische Weise zu erreichen. Viele Forschende haben diesen Mythos jedoch widerlegt. Sie argumentieren, dass es zu riskant ist, auf spekulativen technologischen Wandel zu setzen.Hickel, J. et al. Urgent need for post-growth climate mitigation scenarios. Nat Energy 6, 766–768 (2021) Auch löst grünes Wachstum die vielen sozialen Krisen nicht. Neben dem Rebound-Effekt, der eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch verhindert (siehe oben), werden oft zwei weitere Gründe genannt, warum Wirtschaftswachstum nicht das Allheilmittel ist. Zum einen haben in den letzten Jahrzehnten vor allem Menschen mit hohen Vermögen und Einkommen vom Wirtschaftswachstum profitiert.Piketty, T. Das Kapital im 21. Jahrhundert. (C.H. Beck, 2016) Die Schere zwischen Arm und Reich ging immer weiter auseinander. Zum anderen fand EasterlinEasterlin, R. A. Does Economic Growth Improve the Human Lot? Some Empirical Evidence. In: Nations and Households in Economic Growth. Essays in Honor of Moses Abramovitz. in Nations and Households in Economic Growth (eds. David, P. A. & Reder, M. W.) 89–125 (Academic Press, 1974). doi:10.1016/B978-0-12-205050-3.50008-7 Easterlin, R. A., McVey, L. A., Switek, M., Sawangfa, O. & Zweig, J. S. The happiness–income paradox revisited. PNAS 107, 22463–22468 (2010) heraus, dass steigendes Einkommen ab einer gewissen Schwelle nicht zu mehr Glück führt. Es gibt eine breite Literatur, die skizziert, wie eine Wirtschaft ohne Wachstum aussehen kann, die sowohl ein gutes Leben für alle Menschen schafft, als auch die Umwelt schont. Beispiele sind Göpel,Göpel, M. Unser Wunsch nach mehr, unsere Angst vor weniger. Wie unser Wohlstandsmodell den Planeten ruiniert. Blätter für deutsche und internationale Politik (2020) Jackson,Jackson, T. Wohlstand ohne Wachstum – das Update. Grundlagen für eine zukunftsfähige Wirtschaft. (oekom verlag, 2017) Jackson, T. Wie wollen wir leben? Wege aus dem Wachstumswahn. (oekom verlag, 2021) Loske,Loske, R. Politik der Zukunftsfähigkeit. Konturen einer Nachhaltigkeitswende. (S. Fischer Verlage, 2015) RaworthRaworth, K. Die Donut-Ökonomie. (Carl Hanser Verlag, 2018) und von Weizsäcker und Wijkmann.von Weizsäcker, E. U. & Wijkman, A. Wir sind dran – Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen. Club of Rome: Der große Bericht. (Pantheon (Penguin Random House Verlagsgruppe), 2015)

Wir lassen hier offen, welche Rolle der zunehmende Mangel an Arbeitskräften in Deutschland spielt (siehe zum Beispiel: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/arbeitskraefte-mittelstand-einwanderer-mangel-101.html).

Auch ist das Lohngefälle zwischen verschiedenen Sektoren und Berufen viel geringer als früher. Die immense Ungleichheit der Einkommen Anfang des 21. Jahrhunderts wurde überwunden, da sie aus Gründen der Klimagerechtigkeit und des sozialen Zusammenhalts nicht mehr tragbar war. Hohe Einkommen gingen mit (Luxus-)Konsum einher und fraßen so wichtige Ressourcen auf, die dann für die Grundversorgung von Menschen mit geringem Einkommen fehlten.Gore, T. Carbon inequality in 2030: Per capita consumption emissions and the 1.5⁰C goal. 12 https://oxfamilibrary.openrepository.com/handle/10546/621305 (2021) doi:10.21201/2021.8274 Oswald, Y., Steinberger, J. K., Ivanova, D. & Millward-Hopkins, J. Global redistribution of income and household energy footprints: a computational thought experiment. Global Sustainability 4, (2021)

SIEHE AUCH: Wohnen, Energie, Güter und Dienstleistungen

Erhöht eine Umverteilung von Einkommen den Umweltverbrauch? Schließlich geben Menschen mit geringem Einkommen einen größeren Anteil ihres Einkommens für Konsum aus.Berger, J. Der Zielkonflikt grüner Politik zwischen Umverteilung und Klimaschutz. Nachdenkseiten. NachDenkSeiten – Die kritische Website https://www.nachdenkseiten.de/?p=77900 (2021) Oswald et al.Oswald, Y., Steinberger, J. K., Ivanova, D. & Millward-Hopkins, J. Global redistribution of income and household energy footprints: a computational thought experiment. Global Sustainability 4, (2021) untersuchen dies in einem Gedankenexperiment: Wie würde sich die weltweite Nachfrage nach Energie entwickeln, wenn die globale Ungleichheit geringer wäre, die Weltwirtschaft aber gleich groß bliebe? Ihre Analyse offenbart, dass eine solche Umverteilung zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit die weltweite Nachfrage nach Energie erhöhen würde – und zwar um 7%. Gleichzeitig birgt diese Umverteilung jedoch das Potential, den Übergang zu sauberer Energie zu beschleunigen. Dies liegt daran, dass diese Energie vor allem im Bereich Wohnen anfallen würde, welche mit einsatzbereiten Technologien relativ leicht auf erneuerbar umstellbar ist.Harvey, L. D. D. Reducing energy use in the buildings sector: measures, costs, and examples. Energy Efficiency 2, 139–163 (2009) Im Bereich Wohnen sind deshalb massive Investitionen nötig. Menschen mit sehr hohen Einkommen verursachen hingegen einen besonders hohen Umweltverbrauch in Bereichen, in denen umweltfreundliche Alternativen kurz- bis mittelfristig nicht in Sicht sind (zum Beispiel im Flugverkehr).

Die hohe Konzentration von Einkommen Anfang des 21. Jahrhunderts ging mit einer sehr ungleichen Verteilung von CO2-Emissionen und Energieverbrauch einher.Chancel, L. & Piketty, T. Carbon and inequality: From Kyoto to Paris Trends in the global inequality of carbon emissions (1998-2013) & prospects for an equitable adaptation fund World Inequality Lab. PSE Working Papers 50 https://ideas.repec.org/p/hal/psewpa/halshs-02655266.html (2015) Gore, T. Carbon inequality in 2030: Per capita consumption emissions and the 1.5⁰C goal. 12 https://oxfamilibrary.openrepository.com/handle/10546/621305 (2021) doi:10.21201/2021.8274 Oswald, Y., Owen, A. & Steinberger, J. K. Large inequality in international and intranational energy footprints between income groups and across consumption categories. Nat Energy 5, 231–239 (2020) UNEP UN Environmental Programme. Emissions Gap Report 2020. http://www.unep.org/emissions-gap-report-2020 (2020) So schätzt Chancel,Chancel, L. Climate change & the global inequality of carbon emissions, 1990-2020. 37 https://wid.world/document/climate-change-the-global-inequality-of-carbon-emissions-1990-2020-world-inequality-lab-working-paper-2021-21/ (2021) dass auf die oberen 1% der Menschheit durchschnittlich 110t an Treibhausgasemissionen pro Kopf und Jahr entfallen, auf die oberen 0,1% durchschnittlich 467t und auf die oberen 0,01% durchschnittlich 2530t. Gleichzeitig entfallen auf die unteren 50% durchschnittlich nur 1,6t Treibhausgasemissionen pro Kopf und Jahr.

Lange und Santarius analysieren in ihrem Buch „Smarte grüne Welt?“Lange, S. & Santarius, T. Smarte grüne Welt? Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit. (oekom Verlag, 2018) die sozial-ökologischen Implikationen der Digitalisierung. Sie zeigen, dass Mehrkonsum die Effizienzpotentiale digitaler Technologien wieder zunichte macht und soziale Ungleichheiten weiter anfeuert. Sie argumentieren, dass digitale Technologien nur zusammen mit einer Umverteilung von Arbeit und Einkommen zu einer sozial-ökologischen Transformation beitragen können.

Hohe Einkommen – und damit verbundener Luxuskonsum – spielen in der heutigen gerechten und ökologischen Gesellschaft hingegen keine wesentliche Rolle mehr.
Stattdessen prägt eine umfassende bedingungslose Daseinsvorsorge die Gesellschaft. So gibt es kostenfreie öffentliche Infrastrukturen im Bereich Wohnen, Mobilität, Gesundheit, Pflege, Kinderbetreuung, Bildung und Internet.

Eine bedingungslose Daseinsvorsorge sichert grundlegende Bedürfnisse (wie Wohnen und Gesundheit) ab und schafft entsprechende Infrastrukturen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) ist hingegen ein finanzieller Transfer und ersetzt damit Teile des bestehenden Systems der sozialen Sicherung.Wakolbinger, F., Dreer, E., Schneider, F. & Neumärker, B. Konsumsteuer finanziertes BGE in Deutschland. 31 https://www.econstor.eu/handle/10419/227667 (2020) Beides wird ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Gegenleistung gewährt.

Ob es zusätzlich zur bedingungslosen Daseinsvorsorge ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt, lassen wir offen. Ein BGE birgt viele Vorteile (siehe zum Beispiel ReuterReuter, T. Bedingungsloses Grundeinkommen: Der ewige Traum. Die Zeit (2021)), jedoch ist fraglich, ob beides finanzier- und politisch durchsetzbar ist. Van Treeckvan Treeck, T. Resilienz: Für ein neues Leitbild der Wirtschaftspolitik in Zeiten der allgemeinen Verunsicherung. In Florack, Martin, Korte, Karl-Rudolf und Schwanholz, Julia (Hg.), Coronakratie – Demokratisches Regieren in Ausnahmezeiten. in Coronakratie: Demokratisches Regieren in Ausnahmezeiten (eds. Florack, M., Korte, K.-R. & Schwanholz, J.) 205–214 (Campus Verlag, 2021) argumentiert, dass die Bereitstellung von sozialen Infrastrukturen Statuskämpfe weniger anregt als pauschale Geldtransfers wie das BGE.

Eine bedingungslose Daseinsvorsorge ist ein zentraler Schritt, um eine „Donut-Ökonomie“ (Raworth,Raworth, K. Die Donut-Ökonomie. (Carl Hanser Verlag, 2018) siehe oben) zu schaffen – also eine Wirtschaft, die die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen befriedigt, ohne dabei die natürliche Umwelt zu schädigen. Warum? Die „Donut-Ökonomie“ erfordert, dass Konsum in einem Rahmen stattfindet, der das Wohlergehen aller innerhalb planetarer Grenzen sichert. Dafür werden emissionsintensive Güter heute unterschiedlich behandelt – und zwar abhängig von ihrer Bedeutung für das Wohlergehen.Oswald, Y., Owen, A. & Steinberger, J. K. Large inequality in international and intranational energy footprints between income groups and across consumption categories. Nat Energy 5, 231–239 (2020) Grundbedürfnisse sind durch öffentliche Infrastrukturen gesichert, die idealerweise emissionsarm sind. Emissionsintensiver Luxuskonsum hingegen, der für das Wohlergehen weniger relevant ist, ist stark reguliert und hoch besteuert.Oswald, Y., Owen, A. & Steinberger, J. K. Large inequality in international and intranational energy footprints between income groups and across consumption categories. Nat Energy 5, 231–239 (2020) Armut ist ebenso wie übermäßiger Reichtum reduziert.Gough, I. Defining floors and ceilings: the contribution of human needs theory. Sustainability: Science, Practice, and Policy 16, 208–219 (2020)

Dies hat den Zwang zur Erwerbsarbeit in jeglichen Lebenslagen reduziert. Gleichzeitig stellt es sicher, dass alle Menschen ausreichend versorgt sind, um ein gutes Leben zu führen.Kuhnhenn, K., Pinnow, A., Schmelzer, M. & Treu, N. Zukunft für alle. Eine Vision für 2048: gerecht. ökologisch. machbar. (oekom Verlag, 2020) van Treeck, T. Resilienz: Für ein neues Leitbild der Wirtschaftspolitik in Zeiten der allgemeinen Verunsicherung. In Florack, Martin, Korte, Karl-Rudolf und Schwanholz, Julia (Hg.), Coronakratie – Demokratisches Regieren in Ausnahmezeiten. in Coronakratie: Demokratisches Regieren in Ausnahmezeiten (eds. Florack, M., Korte, K.-R. & Schwanholz, J.) 205–214 (Campus Verlag, 2021)

Die Bereitstellung einer kostenlosen Daseinsvorsorge bietet nicht nur ein Sicherheitsnetz für Beschäftigte, die aus klimaschädlichen Sektoren aussteigen müssen. Sie reduziert auch den Zwang zur Erwerbsarbeit in allen Lebenslagen sowie zur Vollzeit. Arbeitnehmer:innen werden so in ihrer Verhandlungsposition gegenüber Arbeitgeber:innen gestärkt. Jobs, die vorher schlecht bezahlt wurden und unattraktiv sind, müssen nun besser entlohnt werden, können einfacher durch Maschinen ersetzt werden oder der Sektor schrumpft (zum Beispiel die Tierindustrie). Dies stellt vor allem Frauen und People of Color besser, die oft in vormals prekären Jobs (insbesondere im Sorgebereich) arbeiteten.

SIEHE AUCH: Materialflüsse, Abfall und Recycling

Auch wo die Menschen arbeiten, hat sich stark verändert. Umweltschädliche Industrien sind geschrumpft oder insolvent. Der Braunkohlebergbau ist in Deutschland seit 2030 eingestellt, es folgten die Schweinemast und Teile der Werbe- und Finanzindustrie. Auch arbeiten heute viel weniger Menschen in der Automobil-, Luftfahrt- und Tierindustrie sowie in der Produktion kurzlebiger Konsumgüter. Andere Sektoren sind hingegen gewachsen und beschäftigen heute mehr Menschen. Dazu zählt insbesondere die Sorgearbeit, aber auch öffentlicher Verkehr, Energie, Gebäudesanierung, ökologische Landwirtschaft, Reparatur und Cradle-to-Cradle-Recycling.

01 – Kuhnhenn et al.Kuhnhenn, K., Pinnow, A., Schmelzer, M. & Treu, N. Zukunft für alle. Eine Vision für 2048: gerecht. ökologisch. machbar. (oekom Verlag, 2020) beschreiben in ihrem Buch „Zukunft für alle – Eine Vision für 2048“, dass der Sorgesektor 2048 das größte Betätigungsfeld sein wird.
02 – Heute gibt es keine sogenannten „Bullshit Jobs“Graeber, D. Bullshit Jobs. (Simon & Schuster, 2019) mehr, die ohne Nutzen für die Gesellschaft sind; zum Beispiel im Bereich Werbung, Finanzwirtschaft oder Lobbyismus.I.L.A. Kollektiv et al. Von A wie Arbeit bis Z wie Zukunft. Arbeiten und Wirtschaften in der Klimakrise. 55 https://kollektiv-periskop.org/projekte/von-a-wie-arbeit-bis-z-wie-zukunft/ (2019)

Diese Verschiebung der Sektoren hat auch die Verteilung von Arbeitszeit zwischen allen Berufstätigen angeglichen. So wurde die Arbeitszeit in Berufen, denen früher vorwiegend Männer nachgingen, reduziert (zum Beispiel in der Automobilindustrie). In Berufen, denen früher vorwiegend Frauen nachgingen, wurde die Arbeitszeit hingegen gesteigert (zum Beispiel in der Bildung und Pflege). Als Folge konnte hier prekäre Teilzeit durch eine verkürzte Vollzeit ersetzt werden (siehe oben).

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Menschen arbeiten heute in Einrichtungen, die sozial-ökologisch und demokratisch organisiert sind. Beispiele hierfür sind öffentliche Einrichtungen, Genossenschaften und Gemeinwohl-Unternehmen.

Im Gegensatz zu profit-orientierten Unternehmen haben sozial-ökologische und demokratische Unternehmen das Gemeinwohl zum Ziel.KNÖ Konzeptwerk Neue Ökonomie e. V., Wittmann, F., Deuling, S. & Kuhnhenn, K. Sinn fürs Geschäft: Soziale, ökologische & demokratische Unternehmen in Leipzig. 46 https://konzeptwerk-neue-oekonomie.org/materialien/publikationen/ (2014)

Die Maßnahmen, die uns auf den Weg brachten

Viele verschiedene Maßnahmen mussten greifen, um die neue Arbeitswelt zu schaffen, in der Menschen nicht mehr die Umwelt schädigen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Gleich zu Beginn hat die Regierung einen Fahrplan mit Maßnahmen zur schrittweisen Umstellung auf eine sozial-ökologische Wirtschaft festgelegt und kommuniziert.

Im Artikel „Greening work: labor market policies for the environment”Bohnenberger, K. Greening work: labor market policies for the environment. Empirica 49, 347–368 (2022) diskutiert Katharina Bohnenberger verschiedene Maßnahmen, um Arbeit und Beschäftigung umweltfreundlicher zu gestalten.

01 – Sozial-ökologische Steuerreform: Die Besteuerung von Kapitaleinkommen wurde erhöht, geringe Arbeitseinkommen wurden hingegen entlastet. Dies war nötig, um Steuergerechtigkeit zu schaffen.Kuhnhenn, K., Costa, L., Mahnke, E., Schneider, L. & Lange, S. A societal transformation scenario for staying below 1.5°C. vol. 23 (Heinrich Böll Foundation and Konzeptwerk Neue Ökonomie, 2020) Liedtke, C. & Caplan, A. Arbeit ist das halbe Leben?! : Über ein neues Statussymbol: die Zeit und was wir damit anfangen. in Arbeit und Klima versöhnen (eds. Kürschner, K. & Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH) 119–139 (Schüren-Verlag / Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, 2021) Bader, C., Hanbury, H., Neubert, S. & Moser, S. Weniger ist Mehr – Der dreifache Gewinn einer Reduktion der Erwerbsarbeitszeit. Weniger arbeiten als Transformationsstrategie für eine ökologischere, gerechtere und zufriedenere Gesellschaft – Implikationen für die Schweiz. CDE Working Papers 6, 46 (2020)

Vor dieser Steuerreform betrug die Kapitalertragssteuer pauschal 25%, während auf Einkommen aus Arbeit Steuern in Höhe von bis zu 45% erhoben wurden.

Auch Einkommen aus Vermögen sind gleichmäßiger verteilt als früher – beispielsweise dank der Erhöhung der Erbschaftssteuer, der Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer und einer progressiven Vermögens- und Kapitalsteuer.DGB Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik. Gerecht ist besser – höchste Zeit für faire Verteilung! DGB-Verteilungsbericht 2019/2020. 84 https://www.dgb.de/themen/++co++39b36c8c-eff8-11e9-8982-52540088cada (2019) Piketty, T. Das Kapital im 21. Jahrhundert. (C.H. Beck, 2016)., Piketty, T. Kapital und Ideologie. (C.H. Beck, 2020)
Außerdem wurden klimaschädliche Subventionen abgeschafft. Stattdessen sind fossile Energie, natürliche Ressourcen sowie alle nicht in Kreisläufen geführte Abfallprodukte (zum Beispiel CO2 oder Plastik) hoch besteuert.Köppl, A. & Schratzenstaller, M. Ein Abgabensystem, das (Erwerbs-)Arbeit fördert. In: Seidl, Irmi und Zahrnt, Angelika. Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft. in Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft (eds. Seidl, I., Zahrnt, A. & Zahrnt, A.) 207–225 (Metropolis, 2019)

Das heutige Steuersystem macht die ökologischen und sozialen Kosten von Gütern und Dienstleistungen sichtbarer. Dies setzte eine Wende weg von energie- und ressourcenintensiver Produktion hin zu energiesparender und ressourcenleichter Produktion in Gang. Ökologische und soziale Kosten sind nun bei der Herstellung von Gütern und Dienstleistungen mit eingepreist. Der technische Fortschritt verschob sich dadurch in Richtung von Technologien, die den Umweltverbrauch reduzieren. Denn Unternehmen versuchen nun den Einsatz der hoch besteuerten Produktionsfaktoren zu minimieren (vergleiche Bader et al.Bader, C., Hanbury, H., Neubert, S. & Moser, S. Weniger ist Mehr – Der dreifache Gewinn einer Reduktion der Erwerbsarbeitszeit. Weniger arbeiten als Transformationsstrategie für eine ökologischere, gerechtere und zufriedenere Gesellschaft – Implikationen für die Schweiz. CDE Working Papers 6, 46 (2020)).

Diese Steuerreform hat das Dienstwagenprivileg grundlegend reformiert. So wurde der geldwerte Vorteil bei der Anschaffung und der privaten Nutzung von Dienstwagen an CO2-Emissionen gekoppelt (Agora Verkehrswende und Öko-InstitutAgora Verkehrswende et al. Dienstwagen auf Abwegen. Warum die aktuellen steuerlichen Regelungen einen sozial gerechten Klimaschutz im Pkw-Verkehr ausbremsen. 33 https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/dienstwagen-auf-abwegen/, https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/dienstwagen-auf-abwegen/ (2021)).

Fossile Rohstoffe allein über Steuern – also über den Markt – zu regulieren, verkennt Aspekte der sozialen Gerechtigkeit. Denn Menschen mit geringem Einkommen werden überproportional belastet, während Menschen mit hohen Einkommen sich weiterhin ressourcenintensiven Konsum leisten können. Als Folge könnte auch der Ressourcenverbrauch nicht in ausreichendem Maße sinken. Die CO2-Bepreisung wurde daher um Maßnahmen ergänzt, die fossile Pfadabhängigkeiten auflösen, fossile Technologien auslaufen lassen und politische Mechanismen zur Lösung sozialer Konflikte bereitstellen.Huwe, V. & Frick, M. Far from optimal? Exploring the normative premises and politics of carbon pricing. Energy Research & Social Science 86, 102458 (2022)

Diese Maßnahmen wurden schrittweise eingeführt, um allen Unternehmen zu ermöglichen, sich an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen.

02 – Gerechter Übergang: Für diejenigen, deren Arbeitsplätze es heute nicht mehr oder nur in geringer Zahl gibt, wurde ein gerechter Übergang (im Englischen „just transition”) geschaffen. Grundlage hierfür war die Zusammenarbeit zwischen dem Staat und allen Betroffenen.

Gerechter Übergang beschreibt eine Strategie, die zum Ziel hat, Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit zu vereinbaren. Verschiedene Maßnahmen (zum Beispiel Umschulungen und finanzielle Förderung) unterstützen Regionen und Beschäftigte, die von klimaschädlichen Sektoren abhängig sind. Ein gerechter Übergang im Sinne von Klimagerechtigkeit berücksichtigt, dass Menschen unterschiedlich von der Klimakrise und von Klimaschutzmaßnahmen betroffen sind.Newell, P. & Mulvaney, D. The political economy of the ‘just transition’. The Geographical Journal 179, 132–140 (2013)

Das Diskussionspapier „Sichere Landung: Ein gerechter Übergang vom Flugverkehr zur klimafreundlichen Mobilität“STAY GROUNDED & PCS – Public and Commercial Services Union. Sichere Landung – Ein gerechter Übergang vom Flugverkehr zur klimafreundlichen Mobilität. 9 https://de.stay-grounded.org/sichere-landung/ (2021) beschreibt, warum ein gerechter Übergang in der Luftfahrt und verwandten Sektoren nötig ist und was es dafür braucht.

03 – Bedingungslose Daseinsvorsorge: Der immense Ausbau öffentlicher und kostenfreier Infrastrukturen hat diesen Übergang erleichtert und bietet heute allen Menschen ein ausgeprägtes Sicherheitsnetz.

Wir lassen zunächst offen, mit welchen Mitteln die Daseinsvorsoge finanziert wurde. Zum einen generiert die sozial-ökologische Steuerreform neue Staatseinnahmen. Zum anderen empfahlen viele Ökonomen und Ökonominnen, eine höhere staatliche Kreditaufnahme möglich zu machen,Weizsäcker, E. U. von, Wijkman, A. & Álvarez Pereira, C. Wir sind dran: was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen. (Gütersloher Verlagshaus, 2017) insbesondere für staatliche Investitionen.Schnitzer, M. & Truger, A. Europäische Fiskalregeln. in Jahresgutachten 2021/22 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – TRANSFORMATION GESTALTEN: BILDUNG, DIGITALISIERUNG UND NACHHALTIGKEIT (ed. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) vol. 2021/22 116–119 (2021) Fest steht, dass Deutschland über genügend Mittel verfügt, um dies zu finanzieren. Ronald Blaschke stellt in seinem Bericht „Aktuelle Ansätze und Modelle von Grundsicherungen und Grundeinkommen in Deutschland“Blaschke, R. Aktuelle Ansätze und Modelle von Grundsicherungen und Grundeinkommen in Deutschland. In: Grundeinkommen. Von der Idee zu einer europäischen politischen Bewegung. Von Ronald Blaschke, Adeline Otto und Norbert Schepers (Hg.). Rosa-Luxemburg-Stiftung. in Grundeinkommen. Von der Idee zu einer europäischen politischen Bewegung. (eds. Blaschke, R., Otto, A., Schepers, N. & Rosa-Luxemburg-Stiftung) 127 (VSA: Verlag Hamburg / Rosa-Luxemburg-Stiftung, 2012) verschiedene Modelle für ein BGE sowie für den Ausbau öffentlicher Infrastrukturen vor. Dabei zeigt er auch verschiedene Finanzierungskonzepte auf. Diese setzen vor allem auf Einsparungen bei bisherigen Sozialleistungen (wie zum Beispiel Hartz IV und Kindergeld) und auf Steuererhöhungen (insbesondere auf Vermögen, Kapital, Ressourcenverbrauch und Konsum).

04 – Flexible Arbeitszeitgestaltung: Ein weiteres Maßnahmenpaket bestand aus der stufenweisen Einführung von Instrumenten zur flexiblen Gestaltung der Wochen-, Jahres- und Lebensarbeitszeit. Hierbei hat der Staat intensiv mit Gewerkschaften und Unternehmen zusammengearbeitet. Neue Instrumente waren beispielsweise die Freistellung fürs EhrenamtBader, C., Hanbury, H., Neubert, S. & Moser, S. Weniger ist Mehr – Der dreifache Gewinn einer Reduktion der Erwerbsarbeitszeit. Weniger arbeiten als Transformationsstrategie für eine ökologischere, gerechtere und zufriedenere Gesellschaft – Implikationen für die Schweiz. CDE Working Papers 6, 46 (2020) und das Recht auf HomeofficeBMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Weißbuch Arbeiten 4.0. 234 https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/Broschueren/a883-weissbuch.html 2017. Außerdem wurden die Möglichkeiten für Bildungsurlaub, Sabbaticals, Vorruhestand, Pflege- und Elternzeit erweitert und durch Steuervergünstigungen für Betriebe gefördert. Überstunden sind weiter erlaubt, wurden aber unattraktiv, da sie auf Unternehmensseite hoch besteuert wurden. Zusammen mit dem Ausbau der öffentlichen Infrastrukturen wurden Lebensläufe so unabhängiger von Erwerbsarbeit.

Das „Weißbuch Arbeiten 4.0“BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Weißbuch Arbeiten 4.0. 234 https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a883-weissbuch.html (2017) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales diskutiert viele verschiedene Ideen für eine flexible Arbeitszeitgestaltung sowie ihre Umsetzung. Um Freistellungen wie Sabbaticals zu ermöglichen, könnte der Staat die Einführung betrieblicher Langzeitkonten fördern, insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Diskutiert wird auch ein Wahlarbeitszeitgesetz, welches Erwerbsarbeitenden gewährt, ihre Wochenarbeitszeit selbst zu bestimmen. Angestellte haben dann eine Garantie, ihre Arbeitszeit (Dauer und Lage) sowie Arbeitsort selbst zu bestimmen. Dies kann der/die Arbeitgeber:in nur ablehnen, wenn es wichtige betriebliche Ziele behindert.

05 – Reduzierte Vollzeit: Die Vollzeit wurde schrittweise gesenkt und beläuft sich 2040 auf 30 bis 35 Stunden. Dadurch sind sowohl Erwerbsarbeit als auch andere Tätigkeiten (wie Sorge- und Gemeinschaftsarbeit) gleichmäßiger zwischen allen Menschen verteilt.

Till van Treeckvan Treeck, T. Resilienz: Für ein neues Leitbild der Wirtschaftspolitik in Zeiten der allgemeinen Verunsicherung. In Florack, Martin, Korte, Karl-Rudolf und Schwanholz, Julia (Hg.), Coronakratie – Demokratisches Regieren in Ausnahmezeiten. in Coronakratie: Demokratisches Regieren in Ausnahmezeiten (eds. Florack, M., Korte, K.-R. & Schwanholz, J.) 205–214 (Campus Verlag, 2021) schlägt eine allmähliche Verkürzung der Normalarbeitszeit von etwa 3% pro Jahr vor, sodass sich diese im Zeitraum von 20 bis 25 Jahren ungefähr halbiert. Dies hätte den Vorteil, dass es kurzfristig für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen kaum spürbar ist, langfristig aber eine Systemveränderung mit sich bringt.

06 – Geringe Lohngefälle: Um die Lohnunterschiede zu verringern, wurde zum einen ein Maximaleinkommen eingeführt. Dies wurde schrittweise gesenkt, sodass sich die Löhne für verschiedene Jobs im gleichen Betrieb heute maximal um den Faktor 12 unterscheiden dürfen.Eidgenössische Volksinitiative ‘1:12 – Für gerechte Löhne’. BBl 2013 2473 (2011) Zum anderen wurde ein abgestufter Lohnausgleich bei Arbeitszeitreduktion eingeführt. Dies bedeutet, dass Geringverdiener:innen (mit langen Arbeitszeiten und unter bestimmten Bedingungen) bei vollem Lohnausgleich ihre Arbeitszeit reduzieren können, während Großverdiener:innen dies nur ohne Lohnausgleich offensteht.Bader, C., Hanbury, H., Neubert, S. & Moser, S. Weniger ist Mehr – Der dreifache Gewinn einer Reduktion der Erwerbsarbeitszeit. Weniger arbeiten als Transformationsstrategie für eine ökologischere, gerechtere und zufriedenere Gesellschaft – Implikationen für die Schweiz. CDE Working Papers 6, 46 (2020) LaJeunesse, R. Work Time Regulation as Sustainable Full Employment Strategy: The Social Effort Bargain. (Routledge & CRC Press, 2009)