Text
Klaus Schmid
Lektorat
Carla Klocke
Review
Hartmut Graßl
Illustration
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2040 – Wir haben schon viel erreicht
Das Jahr 2040 ist angebrochen, doch viele der dringend benötigten Veränderungen sind weiterhin ausgeblieben. Die Gesetzgebung bleibt ein zäher Prozess. Reformen verlaufen schleppend, Interessen konfligieren, und bürokratische Hürden verhindern eine schnelle Anpassung an die sich rasant verändernden klimatischen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Wichtige Klimagesetze wurden mehrfach abgeschwächt oder auf unbestimmte Zeit vertagt. Die einst avisierte Treibhausgasneutralität für 2045 scheint heute ferner denn je.
Laut § 3 des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) war die Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 vorgesehen (Bundes-Klimaschutzgesetz).
Wirtschaftliche Interessen dominieren nach wie vor den politischen Diskurs. Lobbygruppen setzen sich gegen striktere Umweltvorgaben durch, und selbst bei ambitionierten Initiativen wird darauf geachtet, dass ökonomische Belange im Vordergrund stehen. Internationale Abkommen verlieren weiter an Bedeutung, da nationale Interessen in den Vordergrund rücken. Während einige Länder progressive Maßnahmen ergreifen, blockieren andere jeden Schritt nach vorn – eine koordinierte globale Strategie zur Bewältigung der Klimakrise bleibt aus.
Auch die Bürgerbeteiligung hat sich nicht wesentlich verbessert. Zwar gibt es mehr Transparenzinitiativen, doch politische Entscheidungsprozesse werden weiterhin im kleinen Kreis getroffen. Technologische Innovationen, die Gesetzgebungsverfahren effizienter gestalten könnten, werden kaum genutzt – die Angst vor Kontrollverlust und der Widerstand traditioneller Strukturen verhindern einen digitalen Fortschritt in der Verwaltung.
Die Maßnahmen, welche uns auf den Weg brachten
Bereits 2024 erfolgte eine Aufweichung in der Klimapolitik, als die Bundesregierung die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Sektorendifferenzierung in der Klimapolitik aufgab und eine Gesamtbetrachtung der Treibhausgasemissionen einführte (Bundesregierung, 2024). Diese Entscheidung führte dazu, dass in einzelnen Bereichen die Motivation zur Schadstoffreduzierung stark abnahm.
Trotz Digitalisierung und besserer Daten blieb der politische Wille aus, die Verfahren zu beschleunigen. Bürokratische Hürden und langwierige Abstimmungen verhinderten schnelle Anpassungen an neue Herausforderungen. Nach der wegweisenden Gerichtsentscheidung von 2021 (BVerfG, 1 BvR 2656/18) gab es zwar kurzfristige Anpassungen, doch durch Regierungswechsel und wirtschaftliche Krisen wurden diese Reformen nicht konsequent weitergeführt. Dies zeigte sich bereits in der politischen Diskussion um die Reform des Klimaschutzgesetzes (Deutscher Bundestag, 2021), die durch Koalitionsstreitigkeiten wiederholt verzögert wurde.
Deutscher Bundestag (2021): Bundestag verschärft das Klimaschutzgesetz. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw23-de-deutsche-nachhaltigkeitsstrategie-843404
Anstatt für eine gemeinwohlorientierte Politik zu sorgen, erlaubte die Regierung Lobbygruppen noch mehr Einfluss. Private Interessen setzten sich in vielen Fällen gegen ökologische und soziale Notwendigkeiten durch.
Dies wurde in verschiedenen Studien nachgewiesen, die zeigen, dass wirtschaftliche Interessensgruppen entscheidenden Einfluss auf umweltpolitische Gesetzgebungsverfahren haben (Leibnitz Institut für Raumbezogene Sozialforschung, 2021; LobbyControl, 2023). In der Debatte um die EU-Taxonomie wurde sichtbar, wie stark Industrieverbände Einfluss auf die Klassifizierung nachhaltiger Investitionen nahmen (InfluenceMap, 2020).
Die geopolitischen Veränderungen trugen ebenfalls zur Verschleppung entscheidender Klimaschutzmaßnahmen bei. Mit der erneuten Trump-Administration in den USA 2025 und dem politischen Rechtsruck auch in anderen Staaten und in Europa veränderte sich die politische Prioritätensetzung. Die staatliche Regelungskompetenz wurde stark zurückgedrängt zugunsten libertärer Marktmechanismen. Gesetze und Vorschriften bekamen daher deutlich weniger Gewicht.
Im dadurch geschwächten Regulierungsprozess erhielten mächtige Interessengruppen noch stärkeren Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren.
Zwar gab es immer wieder Urteile, die strengere Umweltgesetze forderten, doch die Umsetzung blieb in vielen Fällen halbherzig oder wurde durch neue rechtliche Schlupflöcher umgangen.
So entschied der Oberste Gerichtshof der Niederlande im „Urgenda-Fall“, dass die Regierung ihre Klimaschutzmaßnahmen verschärfen müsse – dennoch blieben die Umsetzungsmaßnahmen hinter den Anforderungen zurück (Wewerinke-Singh; McCoach, 2021). Ähnliche Entwicklungen gab es in Deutschland, wo die Politik zwar auf das Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2021 reagierte, aber durch spätere Gesetzesänderungen vorherige Verpflichtungen wieder aufweichte (Geulen & Klinger Rechtsanwälte, 2024).