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Kultur

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Text
Dirk Solte

Lektorat
Carla Klocke

Review
Hartmut Graßl

Illustration

2040 – Wir haben schon viel erreicht

Die Kunst ist wieder da, wo sie hingehört: In der Mitte der Gesellschaft! Die kreative künstlerische Betätigung ist Ausdruck einer demokratischen Mitwirkung zur Gestaltung von Hoffnung und Frieden. Die Menschen nutzen diese „Wiederentdeckung“ der Kunst als geeignete Ausdrucksform. Sie geben den großen Fragen der Menschen und den Antworten darauf eine in Skulpturen, Bildern und Tänzen sinnlich wahrnehmbare Gestalt um „singend die Stimme zu erheben“, zu Themen, die aktuell und in der Zukunft für die Gesellschaft relevant sind.

Wenn man sich damit beschäftigt, woher die Chöre kommen, findet man Chorliteratur, die sich in ihrer jeweiligen Zeit „singend zu Wort gemeldet“ hat. Das Volkslied „Die Gedanken sind frei“ ist beispielsweise ein Vorreiter für den Kampf um ein Menschenrecht und wurde ein unverzichtbarer Teil unserer reichen Chortradition.

„Kunst statt Konsum“ ist heute ein wesentlicher Beitrag zur Linderung der globalen Probleme, die aus einer Übernutzung der (Umwelt-)Ressourcen resultieren. Die Betätigung in der darstellenden oder bildenden Kunst, das Erlernen und die stetige Verbesserung eines Instruments – sei es nun die eigene Stimme oder ein anderes Instrument – „kosten“ Zeit, in der nicht konsumiert werden kann, was die Umwelt entlastet. Es ist so schön, wenn sich Einser-Absolvent:innen zur Belohnung ihrer schulischen Leistung eine neue Komposition „Philosophischer Kunst“ wünschen

Mit diesem Begriff (Böhringer&Dieterle&Solte 2025) wird die künstlerische, insbesondere musikalische Auseinandersetzung mit brennenden und für uns und die Zukunft unserer Kinder wichtigen Fragen bezeichnet. Was ist die Wirklichkeit? Was darf ich hoffen? Was soll ich tun? Das sind wesentliche Fragen der Philosophie, und diese Fragen sind heute aktueller und wichtiger denn je. Die Systemrelevanz dieser Kunst liegt in ihrer Verbindung mit unseren kulturellen Werten und der Reflexion aktueller gesellschaftlicher Themen. Den Gedanken des Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling aufgreifend (=> Schelling 1800; 6.§3) – „… die Kunst allein ist, welcher das, was der Philosoph nur subjektiv darzustellen vermag, mit allgemeiner Gültigkeit objektiv zu machen gelingen kann, …“ – verschmelzen Lyrik und musikalischer Ausdruck in Kompositionen „Philosophischer Vokalkunst“ und sind so auf zugleich bewusster und unterbewusster Ebene kommunikativ. Die Inhalte und Bedeutungen werden über die schöpferische, ästhetische Kunst unterbewusst verstanden und „aus dem Inneren“ zur Reflexion in das Bewusstsein gebracht. Zur Bedeutung des Unterbewusstseins für das Entscheiden und Handeln der Menschen vergleiche auch H.-H. Kornhuber & L.Deecke „Wille und Gehirn“, Edition Sirius, Bielefeld und Locarno, 2007.

Die schöpferische Tätigkeit des Musizierens ist sowohl Sinn stiftend nach innen wie nach außen, und auch dabei wird nicht konsumiert, sondern es wird etwas gegeben – eine Musikgabe.

Musik, mit all ihren Möglichkeiten und der Vielfalt, Gefühle und Gedanken bewusst und unbewusst zu verarbeiten – aber auch zu vermitteln – ist eine ganz besondere  Form der Kommunikation. In Proben und Konzerten bringt die Musik Menschen unterschiedlichster Prägung friedlich zusammen, um Harmonie und Klang zu finden. Menschen hören zu, lassen die vorgetragene Musik auf sich wirken.
Musizierende Amateurensembles können daher in einer Welt, in unserer Welt, die sich zunehmend spaltet und auseinanderdriftet, zu einem „Hort mit guter Wirkung” in der Gesellschaft werden. Besonders, wenn in ihrer künstlerischen Arbeitsweise samt Konzertkonzeption auch die musikalische Auseinandersetzung mit Themen steht, die die Gesellschaft heute und in Zukunft betreffen.

Zu Beginn jeder Plenarsitzung des Bundestages findet ein gemeinsames Warm-Up der versammelten Stimmen statt, und alle singen miteinander und hören dabei aufeinander. Als Teil der Tagesordnung ist es nicht ungewöhnlich, dass die Fraktionen von der Möglichkeit Gebrauch machen, ihren Standpunkt flankierend zur Redezeit einleitend über eine musikalische Komposition vorzutragen.

In der Sprache kommunizieren wir über Begriffe, denen wir unterbewusst eine Bedeutung zuordnen, indem wir über die Begriffe, im Inneren von uns, die damit „in uns“ verknüpften Gefühle wachrufen (vgl. George Lakoff: Don’t think of an elephant, 2004). Die Begriffe „verstehen“ wir über die dadurch angeregten inneren Empfindungen, wenn sie als Erfahrungen gelernt wurden. Durch die selbst erlebte Empfindung fühlen wir die mit einem sprachlichen Ausdruck verknüpfte Wahrheit in uns. Zur unmissverständlichen Verständigung über die Sprache bedarf es bei Sender und Empfänger einer Menge ähnlicher Erfahrungen, ähnlicher Gefühle, die über gleiche Begriffe wachgerufen werden. Eine unmissverständliche Kommunikation ist daher allein über die Sprache nicht leicht, über Kulturgrenzen hinaus schwierig bis unmöglich. In der Kunst liegt die Möglichkeit, in Ergänzung zur Sprache subsymbolisch zu kommunizieren. „Werte“, „Wahrheiten“ und „Wirklichkeit“ können beispielsweise über Chormusik auch als sinnliche Wahrnehmung vermittelt werden, knüpfen so an Empfindungen, die unbeeinflusst von sprachlicher Passung in der Kommunikation gemeinsam in Resonanz erlebt werden können.

Heute verbringen sehr viele Menschen einen Teil ihrer Zeit mit der aktiven Ausübung von Kunst in ihrer ganzen Vielfalt. In „Zukunftswerkstätten“ geben und holen sie sich gegenseitig Anregungen und tauschen sich miteinander über die wichtigen gesellschaftlichen Fragen, ihre dafür neu geschaffenen Kunstwerke, künstlerische Ansätze der Gestaltung und Darstellung und ihre neuen Kompositionen aus.

 In den Zukunftswerkstätten fungiert beispielsweise im musikalischen Bereich ein Verein aus der Region als „Ankerensemble“, das u.a. Hörbeispiele vorträgt und so einige Gedanken sinnlich erfassbar macht. In den Zukunftswerkstätten sind gerade auch die künstlerisch und an Kunst Interessierten besonders herzlich willkommen, die eine gute Zukunft, die Hoffnung gestalten möchten oder nach Möglichkeiten suchen, diese Kunst und Kultur in der Region zu unterstützen und zu stärken. Bei Impulsvorträgen, Diskussionen und gemeinschaftlichem Musizieren oder anderen Formen künstlerischen Schaffens werden Charakter und Vitalität der künstlerischen Ensembles und Werkstätten im 21. Jahrhundert mit ihrer wertvollen Rolle als Hort mit guter Wirkung in unserer Gesellschaft erlebt. Gemeinsam wird ein Zeichen für den besonderen Aspekt sinnstiftender Kunst gesetzt und die gesellschaftliche Rolle von Kunst als bedeutungsvoller Orientierungsgeber betont

Ein beliebtes Format des Musizierens in der Gemeinschaft sind musophierende Veranstaltungen, die zum Mitmachen einladen. Der organisierende Verein gestaltet sie zusammen mit seinen Patenensembles aus der Kinder- und Jugendarbeit mit einem balancierten Spannungsbogen, der Freude mit Sinnstiftung verbindet. Unterstützt werden sie dabei von Ehrenamtlichen, die sich aktiv einbringen, ohne bei der künstlerischen Darbietung mitzuwirken.

Das Kunstverb #musophieren steht für Ensembles und Eventkonzepte, die eine Balance von Freude, Gemeinschaft, Vielfalt und Sinnstiftung suchen. Wer weiß, warum er etwas tut und einen Sinn in seinem Handeln spürt, der kann auch einen steinigen Weg leichter gehen. Sich beispielsweise in einem Chor über die Kunst mit gesellschaftsrelevanten Themen zu befassen, als Chor gemeinsame Werte nach außen zu vermitteln und Selbstwirksamkeit zu spüren, ist ein wichtiger (leider kein leichter) Weg. Kompositionen mit dem Anspruch einer künstlerischen, ästhetischen Umsetzung und Vermittlung dieser zur Gestaltung von Hoffnung notwendigen Inhalte bedeuten „Philosophische Kunst”. Eine Auseinandersetzung mit den für eine Gesellschaft und die Zukunft bedeutsamen Fragen wie „Wann haben wir genug?“ können unbequem sein und die Hintergründe, und mögliche Antworten darauf sind meist ebenso unbequeme Wahrheiten, besonders, wenn sie auf einen Wandel persönlicher Gewohnheiten oder Einschränkungen hindeuten. Abendfüllend ist dies nicht zu ertragen, in den Proben nach „Feierabend“ auch nicht. Musophierende Kunstschaffende, Ensembles, Konzerte und Events suchen daher stets nach der Balance.

„Verbunden im Klang — Wär’ die Welt bloß mein Chor!“

Die Maßnahmen, welche uns auf den Weg brachten

Die Corona-Pandemie, die im frühen Jahr 2020 von der WHO ausgerufen wurde, hatte die Amateurmusik, besonders die Chorszene in eine tiefe Krise gestürzt. Als der Spaß beim gemeinsamen Singen nicht mehr möglich war, u.a. war das Proben in geschlossenen Räumen, das Singen in Schulen und Kindergärten untersagt, gab es manche Chöre einfach nicht mehr. Das war eine harte Erfahrung, die mehrere Fragen aufgeworfen hatte: Ist Singen nichts als ein Spaß machendes Hobby, oder brauchen wir als Gesellschaft das Singen in der Gemeinschaft? Ist Singen ein unverzichtbarer Teil jeder Kultur? Ist Singen in Krisenzeiten verzichtbar, oder ist es eine systemisch relevante Kunst (Schröder 2021), an der die Teilhabe als Menschenrecht verankert ist?

 https://spiritofbrotherhood.de/ (aufgerufen am 15.04.2025) Vers.2 als virtual choir mit Didi Hallervorden und Marc Marshall

Als Antwort auf diese Fragen wurde das Konzept #musophieren entwickelt. Mit dem Leitfaden „Wär’ die Welt bloß »Mein Chor«!“ (→ Böhringer et al., 2025) wurde die Brücke zwischen Kunst, Gesellschaft und Nachhaltigkeit geschlagen, über die sich Kulturschaffende auf den Weg des Wandels zu „be-sinnenden Ensembles“ mit systemischer Relevanz begeben haben. Flankierend wurde mit musophieren.de eine Plattform realisiert, die den Austausch fördert und kostenlos GEMA-freie neue Kompositionen zur Verfügung stellt.

Für das Ziel, das Wesen „musophierender Konzerte“ zu kommunizieren und zur Mitwirkung zu motivieren, wurde der „Badische Chortag 2024“ unter das Motto „Wir singen Zukunft“ gestellt und dabei eingeladen zu #musophieren. In einer „Zukunftswerkstatt (https://bcvonline.de/Veranstaltungen/musophieren/, aufgerufen am 15.04.2025)“ wurde das Konzept vorgestellt

Ein abschließendes, öffentliches Mitmach-Konzert mit dem gleichen Motto des Chortages war beispielgebend für ein Format, in dem (in diesem Fall) mehrere Chöre einen großen Spannungsbogen dargeboten haben:
01 – Träume, Gedanken & Wünsche
02 – Frieden!?
03 – Zukunft!? – Kunst ist Teil der Lösung

In der Moderation des Mitmach-Konzertes wurde der Spannungsbogen mit dem Bezug eines jeweiligen Stückes zu den Leitbegrifflichkeiten dem Publikum vermittelt.

Träume, Gedanken & Wünsche, die uns bewegen. Gerade in der aktuellen Zeit ist das der Wunsch nach Frieden. Woher kommt Frieden? Können wir darauf hoffen, den Frieden als Geschenk zu empfangen, wenn wir darum bitten? Oder liegt es an uns, „anzupacken“, um Frieden zu erlangen? Es war ein Kinder- und Jugendchor, der sich mit dem Wunsch „Pax an!“ an die Zuhörer:innen gewandt hatte. „Pax an!“ ist ein Beispiel „Philosophischer Kunst“, die mit der lautsprachlichen Doppeldeutung spielt: „Pax“ ist das lateinische Wort für „Frieden“ und hört sich gesungen an wie „pack’s“, also „Pack’s an!”.

Im dritten Teil des Konzertes wurde dann der Gedanke „Kunst als Teil der Lösung“ einer Zukunft in Frieden vermittelt. Kunst kann etwas bewirken, wenn sie „singend die Stimme erhebt”, zu Themen, die aktuell und in der Zukunft für die Gesellschaft relevant sind. So kann mit Kunst zur Gestaltung einer friedensfähigen Zukunft beigetragen werden. Das Konzept wurde von immer mehr Ensembles aufgegriffen, und so wurde daraus eine „Bewegung mit Wirkung“. In anderen Kunstbereichen war eine fokussierte Auseinandersetzung mit dem Klimawandel eine Triebfeder, „die Kunst sprechen zu lassen“.

Die Verbände der Amateurensembles haben dafür gesorgt, dass die systemische Rolle der Kunst sowohl in die Gesellschaft als auch in die Politik vermittelt und sich so als „Wert an sich“ und Menschenrecht wieder entfalten konnte.

Einsichtsvoller Egoismus und die Suche nach Orientierung und Sinnstiftung waren wesentliche Triebfedern, dass daraus eine Initiative mit großem Schwung entstehen konnte.