Illustration einer offenen Küche in BlauTönen. Ein Mann deckt einen rechteckigen Tisch für sechs Personen mit Tellern, Gläsern, einer WasserKaraffe und einem ObstKorb. Ein Kind steht an der TerrassenTür und malt eine Reihe von Menschen, die sich an den Händen halten.

Wohnen

Illustration einer offenen Küche in BlauTönen. Ein Mann deckt einen rechteckigen Tisch für sechs Personen mit Tellern, Gläsern, einer WasserKaraffe und einem ObstKorb. Ein Kind steht an der TerrassenTür und malt eine Reihe von Menschen, die sich an den Händen halten.

Text (Stand 26.03.24)
Annette Voigt
Kathrin Valvoda
Carsten Lausberg
Leon Leuser

Lektorat
Lea Musiolek
Isabel Schmittknecht
Katharina van Treeck

Review
Lorena Valdivia-Steel
Anton Brokow-Loga
Gero Suhner
Anonymus

Illustration
Frieder Beckmann

2040 – Wir haben schon viel erreicht

Wir wohnen heute grüner, geselliger, raumsparender und gesünder. Im Alltag und in der Stadtpolitik wertschätzen wir einander, bringen uns ein und handeln verantwortungsbewusst. In diesem Sinne gestalten wir Gebäude und Freiflächen heute so, dass sie auch soziale Teilhabe ermöglichen, effizient und an den Klimawandel angepasst sind, und gleichzeitig die Artenvielfalt sowie das Klima schonen.

Es gibt vielfältige Außenräume (zum Beispiel Parks und Spielplätze) für Spiel, Sport, Erholung, Naturerlebnis und Begegnung. Dafür haben Eigentümer:innen, Planer:innen, Naturschützer:innen und Nutzer:innen miteinander verhandelt, wobei sie auch natürliche Prozesse und die Bedürfnisse von Tieren und Pflanzen mit einbezogen haben. Diese Außenräume ermöglichen nicht nur Durchlüftung und Kühlung der Stadt, sondern gleichen auch noch die Belastungen durch Wasserknappheit, Hitzetage oder Starkregen aus. Sie fördern auch den sozialen Zusammenhalt.Ökosystemleistungen in der Stadt: Gesundheit schützen und Lebensqualität erhöhen. (Naturkapital Deutschland – TEEB DE, 2016).

„Postwachstums Stadt – Konturen einer solidarischen Stadtpolitik“„Postwachstums Stadt – Konturen einer solidarischen Stadtpolitik“, Anton Brokow-Loga (Hrsg.), Frank Eckardt (Hrsg.), 2020. https://doi.org/10.14512/9783962386962

Gerade in großen Städten sind neben Gebäude- und Straßenbegrünung heutzutage auch große Grünzüge  selbstverständlich. Diese fügen sich in verschiedenen Größen in die städtischen Strukturen ein. Wichtig sind auch „kurze Wege“Schöneberg, P. QUARTIER DER KURZEN WEGE • polis Magazin. polis Magazin https://polis-magazin.com/2019/10/quartier-der-kurzen-wege-die-stadt-von-vorgestern-als-quartier-von-uebermorgen/ (2019) für den alltäglichen Bedarf, die sich in Stadtteilen und Quartieren ebenso durchgesetzt haben wie ein attraktiver ÖPNV und ein flächendeckendes Fuß- und Radwegenetz. Das Auto ist somit vielerorts unattraktiv geworden und hat klimafreundlichen Transportmitteln den Vorrang gelassen. Durch den Rückbau der Autoinfrastruktur (zum Beispiel von Parkplätzen) wurden neue Flächen frei, die heute für gemeinschaftliche Nutzung, für Pflanzen und Tiere sowie zur Wasserrückhaltung zur Verfügung stehen. In Dörfern wurden darüber hinaus der Einzelhandel gestärkt und neue Verkehrsangebote geschaffen, um die sichere Versorgung und Vernetzung auch im ländlichen Raum zu gewährleisten.

Diese Herangehensweise reduziert die Zersiedelungen und die damit einhergehenden Infrastrukturmaßnahmen, wie zum Beispiel Gewerbegebiete auf der “grünen Wiese”. Gleichzeitig erfahren Innenstädte und Quartiere durch die Aufwertung mit Geschäften und Handwerksbetrieben eine hohe Lebensqualität und soziale Sicherheit. Die Stadt wird wieder produktiv. Unter anderem werden dabei dem Leerstand von Gebäuden entgegengewirkt und bauliche Strukturen reaktiviert. Durch Reduzierung von Parkplätzen und Flächenversiegelungen werden neue Flächen für attraktive gemeinschaftliche Erholungs- und Freizeitangebote gewonnen, die Wassermanagement und Begrünung ermöglichen. Die Feinstaubbelastungen und Unfalltoten sind mit der Reduzierung des individuellen Autoverkehrs stark zurückgegangen.

In ländlichen Gebieten und kleineren Siedlungsstrukturen wirken die örtliche Versorgungsdichte des alltäglichen Bedarfs, der Ausbau digitaler Infrastruktur (zum Beispiel für Homeoffice und Ansiedlung von Unternehmen) und variable Mobilitätsangebote wie On-Demand-Ridesharing, Anruf-Sammeltaxis und E-Bike-Infrastrukturen zusammen.

Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person ist heute vielerorts um ein Viertel kleiner als 2020Kuhnhenn, K., Costa, L., Mahnke, E., Schneider, L. & Lange, S. A societal transformation scenario for staying below 1.5°C. vol. 23 (Heinrich Böll Foundation and Konzeptwerk Neue Ökonomie, 2020). und sozial gerechter verteilt. Wohngebiete mit zukunftsfähigen, bezahlbaren Wohnraumkonzepten werden gefördert, wobei auch auf eine gute Durchmischung der Bewohner:innen geachtet wird. Genossenschaftliche und gemeinnützige Wohnformen, die verschiedene Bedarfe abdecken und unterschiedliche Lebensstile ermöglichen, haben bei der Gestaltung der Dörfer und Städte Priorität. Daneben spielen Suffizienz, Flexibilität und Verteilung von Wohnfläche eine gewichtige Rolle: Wer benötigt wie viel Platz? Früher wohnten viele junge Familien extrem beengt, wogegen ältere Menschen, insbesondere nach dem Auszug ihrer Kinder, oft auf einem Übermaß an Wohnfläche lebten. Heute gibt es mehr gemeinschaftlich genutzte Flächen, zum Beispiel Mehr-Generationen-Wohnen in ehemaligen Einfamilienhäusern.Lindenthal, J. & Mraz, G. NEUES WOHNEN IM ALTEN HAUS. 104 (2015) Innovative Siedlungs- und Nutzungsdesigns sowie Flächen-Sharing ermöglichen es den Menschen heute, ihren Pro-Kopf-Flächenverbrauch auf ein individuelles Optimum abzustimmen. Klimaneutrale Quartierskonzepte mit kombinierten Wohn-, Homeoffice- und Freizeit-Orten sind Standard. Flächen im Innen- und Außenraum werden heutzutage meistens mehrfach bespielt: Es gibt Angebote zur öffentlichen und halböffentlichen Nutzung. So gehen viele Menschen heute fürs “Homeoffice” in solche Gemeinschaftsräume oder in der Elternzeit mit ihren Babys in Familienzentren, anstatt zuhause zu bleiben.

So kann nicht nur die Wohnfläche pro Kopf verringert werden, sondern auch der Flächen- und Ressourcenverbrauch sowie die graue Energie für Neubauten und Infrastruktur. Denn je größer die bewohnte Fläche, desto größer ist in der Regel auch der Energieverbrauch bei der Herstellung und während des Gebrauchs. Neben flexiblen und gemeinschaftlichen Konzepten können Maßnahmen von Beratungsangeboten bis hin zu einer Luxussteuer für große Wohnungen oder die Erhöhung des Heizenergiepreises, zum Beispiel über eine CO2-Steuer, diese Reduzierung unterstützen. Um hier Verdrängungseffekten entgegenzuwirken, soziale Härten aufzufangen und arme Menschen nicht zusätzlich zu belasten, werden Modernisierungskosten vor allem von Eigentümer:innen und Vermieter:innen getragen und mit staatlicher Förderung unterstützt.

Die Transformation lokaler Siedlungsstrukturen – zum Beispiel von bestehenden Einfamilienhausgebieten (mit hohem Anteil älterer Bewohner:innen und einem hohen Wohnflächenverbrauch pro Kopf) hin zu verdichtetem Mehr-Generationen-Wohnen – und der Fokus auf Standortattraktivität für regionale, mittelständische Unternehmen sind zentral für den Aufbau und die Sicherung verlässlicher sozialer Strukturen und der Verhinderung des Wegzugs jüngerer Personen.

Siehe auch zur Wohnfläche: Link

01 – „Das Potenzial neuer Wohnformen zur Reduzierung der Pro-Kopf-Wohnfläche im urbanen Raum“„Das Potenzial neuer Wohnformen zur Reduzierung der Pro-Kopf-Wohnfläche im urbanen Raum“, Simone Linke, Prof. Dr.-Ing. Werner Lang, TUM / Runst & Thonipara (2019), Wuppertal Report Nr. 9 (2017)
02 – „A Societal Transformation Scenario for Staying Below 1.5°C“ (Kuhnhenn et al., 2020). Für die pro Person genutzte Wohnfläche in Industrieländern wird eine Reduktion um 25% angenommenKuhnhenn, K., Costa, L., Mahnke, E., Schneider, L. & Lange, S. A societal transformation scenario for staying below 1.5°C. vol. 23 (Heinrich Böll Foundation and Konzeptwerk Neue Ökonomie, 2020) [Tabelle 2].
03 – „Zehn-Punkte-Plan für flächensparendes Wohnen“„Zehn-Punkte-Plan für flächensparendes Wohnen“ Daniel Fuhrhop (2020). https://www.wohnen-optimieren.de/downloads/
04 – „Revitalisierung von Einfamilienhausgebieten“„Revitalisierung von Einfamilienhausgebieten“, bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (2014), https://www.stmuv.bayern.de/themen/boden/flaechensparen/einfamilienhaeuser.htm
05 – „Einfamilienhäuser 50. 60. 70.er Jahre, Stadtentwicklung und Revitalisierung“„Einfamilienhäuser 50. 60. 70.er Jahre, Stadtentwicklung und Revitalisierung“ (2016) Wüstenrot Stiftung https://wuestenrot-stiftung.de/publikationen/einfamilienhaeuser-50-60-70-stadtentwicklung-und-revitalisierung/

Neues Bauland wird nur dort erschlossen, wo es unbedingt notwendig ist – und wenn, dann nur für klimaneutrale, kreislaufgerechte, soziale und nachhaltige Gebäude. Firmen setzen beim Bau überwiegend nachwachsende und regionale Rohstoffe ein. Ein wachsender Anteil an Wohnraum gehört zudem der Kommune, einer Genossenschaft oder einer anderen Gemeinschaft, die einen dynamischen Umgang mit Wohnflächen für jeden Lebensabschnitt ermöglicht.

Der beschriebene Trend zur Sharing Economy ist schon seit einigen Jahren erkennbar, zum Beispiel beim Carsharing. Beim Wohnen gibt es einerseits traditionelle Ansätze wie Genossenschaften, andererseits neue Konzepte, wie Wohnungstauschbörsen, die erst das Internet möglich gemacht hat.

Beliebt sind Bestandsbauten, die im Rahmen einer massiven Sanierungsoffensive erneuert wurden – mit hohen Ansprüchen an bauliche, materielle und soziale Nachhaltigkeit. Die Sanierungskonzepte sind dabei sehr umfassend: Energieeffizienz ist nur ein Teilaspekt, genauso rücken ökologische und kreislaufgerechte Materialien sowie Sozialverträglichkeit, Suffizienz und Klimagerechtigkeit in den Fokus. Die Förderungen dafür sind hoch und die Gesetze und Rahmenbedingungen wurden frühzeitig geschaffen. Heute sind sanierte Altbauten beliebte, architektonisch hochwertige Wohnumfelder mit geringen Belastungen durch Schadstoffe und Emissionen.

Darüber hinaus übernehmen Bestandsbauten eine wichtige Aufgabe in baulichen Zusammenhängen und Quartieren, denn sie bewahren Ressourcen und verringern graue Energie. Jeder einzelne bauliche Bestandteil und jedes Gebäude eines Quartiers bietet unterschiedliche Potentiale in puncto Zukunftsfähigkeit. Denn nicht jedes Gebäude, ob Neubau oder sanierter Bestand, kann alle Aspekte der Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit gleichzeitig erfüllen. Alle Teile eines Quartiers können jedoch gemeinsam die Voraussetzungen erfüllen, um den Kriterien von CO2-Neutralität, Klimagerechtigkeit, Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit im Quartier zu entsprechen. Defizite können sich gegenseitig ausgleichen. Dafür müssen die Quartiere  übergeordnete Konzepte und Ziele erarbeiten – angepasst an die lokalen Gegebenheiten. Trotz lokaler Unterschiede gelten einige solcher übergeordneten Kriterien jedoch überall in Deutschland, zum Beispiel muss sich jede Baumaßnahme auf Ressourcenschonung, geringstmögliche Flächenversiegelung, ökologische Materialien, Kreislaufgerechtigkeit, Gebäudebegrünung, erneuerbare Energie- und Wärmegewinnung sowie Schadstoffarmut ausrichten.

Es ist schon lange technisch möglich, ein ökologisch nachhaltiges Haus zu bauen. Auch die im Jahr 2021 geltenden Normen für Neubauten weisen  nicht mehr viel Steigerungspotenzial auf. Der größte Hebel für nachhaltiges Wohnen ist daher die Bestandssanierung beziehungsweise die deutliche Steigerung der Sanierungsrate von circa 1 % im Jahr 2021.

Außerdem spielt die Energie- und Wärmegewinnung bei Neubauten und Sanierungen heute wie damals eine wichtige Rolle. Viele Gebäude sind heute „Plusenergiehäuser“,Vallentin, R. & Kern, M. Die Konsequenzen des Zwei-Grad-Ziels auf die energetischen Anforderungen an Wohngebäude. (Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen, Technische Universität München, 2020). egal ob Einfamilienhaus oder Hochhaus. Dies bedeutet, dass zuerst einmal der individuelle Energiebedarf eines jeden Gebäudes durch Optimierung der Ansprüche, Bauvolumen und Gebäudehülle auf ein verträgliches Minimum reduziert wird. Konsequent klimafreundliche Energie- und Wärmegewinnung am Gebäude selbst deckt im zweiten Schritt diesen Energiebedarf. Überschüssige Energie, Strom und Wärme speisen die Gebäude schließlich ins Quartiersnetz ein und versorgen so leistungsschwächere Gebäude. Darüber hinaus initiieren und finanzieren Bürger-Energie-Gemeinschaften lokale Energieerzeugungs- und Verteilungsprojekte – autarke Quartiere entstehen.

01 – „Wuppertal Report Nr. 9“Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH et al. Wuppertal Report Nr. 9 (2017): Energiesuffizienzpolitik mit Schwerpunkt auf dem Stromverbrauch der Haushalte: Abschlussbericht zu Arbeitspaket 3: Projekt ‘Energiesuffizienz – Strategien und Instrumente für eine technische, systemische und kulturelle Transformation zur nachhaltigen Begrenzung des Energiebedarfs im Konsumfeld Bauen/Wohnen’ – BMBF/FONA FKZ 01 UN 1214 B. 103 https://epub.wupperinst.org/frontdoor/index/index/docId/6670 (2017)
02 – „Neue Konzepte für nachhaltiges Wohnen und für nachhaltige Mobilität: Optionen der ökologischen und ökonomischen Bewertung.“ Brohmann, B. & Gsell, M. Neue Konzepte für nachhaltiges Wohnen und für nachhaltige Mobilität: Optionen der ökologischen und ökonomischen Bewertung. in Soziale Innovationen für nachhaltigen Konsum: Wissenschaftliche Perspektiven, Strategien der Förderung und gelebte Praxis (eds. Jaeger-Erben, M., Rückert-John, J. & Schäfer, M.) 97–123 (Springer Fachmedien, 2017). doi:10.1007/978-3-658-16545-1_5
03 – „Forschungsprojekt OptiWohn“, Uni Oldenburg Link
04 – Strategien gegen Flächenverbrauch Link
05 – Pressemitteilung Wuppertal Institut Link
06 – „Open building“ Link
07 – „Shearing Layers of Change“„Shearing Layers of Change“ (1994) von Stewart Brand
08 – UBA, 2019: Energieaufwand für Gebäudekonzepte im gesamten Lebenszyklus Link
09 – „graue Energie im Ordnungsrecht“, BBSR
10 – Link
11 – Link

Ein Plusenergiehaus ist ein Gebäude mit einem positiven Wert in der jährlichen Energiebilanz. Eigentümer:innen sind so auch Energieerzeuger:innen. Die von außen zugeführte Energie ist geringer als die beispielsweise durch Solaranlagen, Windkraftanlagen, Wärmepumpen oder die Nutzung von Biomasse oder Geothermie erzeugte Energie.

Manche Veränderung ist im Alltag kaum spürbar. So sind in Häusern, die nicht an Nah- oder Fernwärmenetze angeschlossen sind, Wärmepumpen – gepuffert mit Wärmespeichern – eingebaut. Die Steuerung der Systeme erfolgt automatisch anhand von Wettervorhersagen.

Um die Zahl der Reservekraftwerke (welche aus Wind- beziehungsweise Solarstromüberschüssen erzeugten Wasserstoff verbrennen) zu begrenzen, ist es nötig, den Stromverbrauch flexibler zu gestalten. Dies ermöglichen insbesondere Wärmespeicher in der Mehrzahl der Gebäude. Sie werden in Zeiten von Stromüberflüssen aufgeheizt und die Wärmepumpe kann ein bis zwei Tage durch die dort vorhandene Wärme mit geringem Verbrauch betrieben werden.

Moderne Steuerungstechnik ermöglicht es allen Menschen, die Lüftung, Heizung und Ausleuchtung von Räumen optimal einzustellen. Bewohner:innen können so einem zu hohen Wärme- und Energieverbrauch entgegenwirken. Kombiniert mit bewusstem Verhalten gelang es der Gesellschaft auf diese Weise, den durchschnittlichen Energie- und Wärmeverbrauch pro Kopf zu senken.

Die Maßnahmen, die uns auf den Weg brachten

Die Politik entwickelte Strategien, die den Gebäudebereich, damals für 38 % der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich, nachhaltig und klimaverträglich umgestalten sollten.

Ganz wesentlich dafür war die Erkenntnis, dass viele verschiedene Handlungsfelder eng miteinander verknüpft werden müssen, um zukunftsfähiges, klimagerechtes, ressourcenschonendes, soziales und bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. Dies umfasst unter anderem Bestandssanierung, Nachverdichtung, zukunftsfähige Wohnformen, klimapositives oder mindestens klimaneutrales Bauen, Ausbau erneuerbarer Energien, ökonomische und sozial-ökologische Strukturen, Ressourcenschonung, Kreislauffähigkeit, Klimaanpassung und urbane Lebensqualität.

Kommunaler Klimanotstand Link

Alle Bereiche, von den Investitionen und Strategien beim Planen bis hin zum Bauen und Betreiben von Gebäuden und Infrastrukturen, wurden konsequent auf die Pariser Klimaschutzziele ausgerichtet. Für diese umfassenden politischen Änderungen brauchte es eine gemeinsame Zielorientierung von Bevölkerung und Politik.

01 – „German Zero Maßnahmenkatalog“ Link
02 – „Aktionsbündnis aus Architekten, Bau-Experten und Umweltschützern fordert Sanierungsoffensive für Klimaschutz“„Aktionsbündnis aus Architekten, Bau-Experten und Umweltschützern fordert Sanierungsoffensive für Klimaschutz“ der BAK, DGNB; DUH, März 2021, mit Forderung, Positionspapier und Warnung https://bak.de/presse/pressemitteilungen/1-million-gebaeudesanierungen-pro-jahr-aktionsbuendnis-aus-architekten-bau-experten-und-umweltschuetzern-fordert-sanierungsoffensive-fuer-klimaschutz/
03 – „Offener Brief zur Änderung der Musterbauordnung (MBO) der architects for future an die Bauministerkonferenz“„Offener Brief zur Änderung der Musterbauordnung (MBO) der architects for future an die Bauministerkonferenz“, 2021, architects for future https://www.architects4future.de/wissen/musterumbaurordnung-offner-brief-bauministerkonferenz

Dringende Maßnahmen waren beispielsweise die Neustrukturierung von Subventionen, massive Investitionen in Sanierungsstrategien und -maßnahmen sowie Regelungen zur Innenentwicklung, Nachverdichtung, Kreislauffähigkeit und Einschränkungen zur Ausweisung von neuem Bauland.

Um die dringend nötigen und seit Jahrzehnten vernachlässigten Sanierungen nachzuholen, hat die Politik Förderungen massiv ausgeweitet, zum Beispiel durch Re-Investition der CO2-Steuer. Genauso hat sie gesetzliche Rahmenbedingungen verschärft, zum Beispiel durch Änderung der Musterbauordnung, des Gebäudeenergiegesetzes, des Bodenrechts und des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Somit kam der Bewahrung des Bestands und der kreislaufgerechten Bauweise ihre berechtigte Schlüsselrolle beim klimagerechten Planen und Bauen zu und der Flächen- und Ressourcenverbrauch für neue Bauten konnte reduziert werden.

Sowohl Sanierungen als auch Neubauten orientieren sich seitdem an CO2-Klimaneutralität, am gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes (von der Herstellung von Gebäuden und Baustoffen über ihre Nutzung und Instandhaltung bis hin zur Wiederverwendung und Abbruch) und am Verbrauch von Ressourcen (unter anderem von Rohstoffen, Materialien, Boden und versiegelter Fläche). Zudem ist der maximale Ausbau solarer Wärme- und Energiegewinnung direkt am Gebäude Pflicht.

Hierfür hat die Politik nicht nur hohe Fördersummen bereitgestellt, sondern auch verbindliche Gesetze geschaffen. Beispielsweise wurden vorbildliche, innovative und gesellschaftlich relevante Planungen bei der Erteilung von Förderzusagen, Baugenehmigungen, Baulandausweisungen, Bebauungsplänen etc. bevorzugt. Denn solche Konzepte ermöglichen es, Wohnraum leicht an verschiedene Lebenssituationen (zum Beispiel Single-Dasein, Familienstrukturen, Wohnen im Alter oder Leben mit Behinderung) anzupassen, Flächen zu sparen und gleichzeitig die Akzeptanz und Langlebigkeit eines Gebäudes zu erhöhen. Beispiele hierfür sind genossenschaftliches Bauen, partizipativ entwickelte Wohnprojekte, Mehr-Generationen-Wohnen, Revitalisierung von Einfamilienhausgebieten und platzsparende, flexible Wohnformen.

Im Diskussionsvorschlag für ein „Gebäude-Emissions-Gesetz 2050“ (GEG 2050) der DNGB sind vier Kernforderungen zur CO2-Klimaneutralität formuliert Link

Statt neue Siedlungen zu schaffen – was nicht nur viel Fläche vor Ort verbraucht, sondern auch neue Investitionen in Infrastruktur erfordert – wurden bestehende Siedlungsräume nachverdichtet und Lücken geschlossen. Mit dem Fokus auf klimapositive Quartiere wurden Ausgleichssysteme für bauliche Zusammenhänge geschaffen.

Die Ausgleichssysteme orientieren sich an den Potentialen jedes Gebäudes und Grundstücks. Hierzu wurden mit kommunaler Unterstützung Vorgaben und Ziele zur Klimaneutralität und -anpassung sowie zum Artenschutz gemeinsam mit Bürgerbeteiligungen erarbeitet und umgesetzt. Folgendes Beispiel illustriert ein Ausgleichssystem: Neubauten lieferten mehr erneuerbare Energien, als sie benötigten.

Dafür übernahmen Bestandssanierungen die Wahrung der grauen Energie, Förderung der Artenvielfalt und Luftqualität, zum Beispiel durch Gebäudebegrünung. Lokale Materialkataster ermöglichten es, Materialien und Bauteile vor Ort im Kreislauf zu halten. Partizipative, lokale Maßnahmen, wie ein Umzugsförderprogramm mit Nachbarschaftshilfe in gewachsenen Einfamilienhausgebieten, schafften attraktive Anreize für alleinstehende oder ältere Personen, die ihre Wohnfläche maßgeblich verkleinern wollten. So wurde ihnen praktisch und finanziell dabei geholfen, ihren Wohnraum aufzuteilen, zum Beispiel hin zu Mehr-Generationen-Wohnen. Mit der Anpassung von Bebauungsplänen zur Verdichtung dieser Gebiete konnten zukunftsfähige und lebenswerte, alters- und familiengerechte Wohnquartiere geschaffen werden.

Kommunen wurden nicht nur verpflichtet, gebäudeintegrierte erneuerbare Energien massiv auszubauen. Die Politik forderte außerdem, dass Kommunen bei der Planung von Neubaugebieten die Folgekosten berechnen sowie eine kommunale Wärmeplanung verfolgen. Letztere weist Gebiete aus, in denen Nah- und Fernwärmenetze ausgebaut werden beziehungsweise in denen Hausbesitzer:innen Wärmepumpen und Solarthermieanlagen bauen müssen.

Die Grunderwerbssteuer wurde abgeschafft. Stattdessen wurde eine Bodenwertsteuer eingeführt. Diese setzte eine Mobilisierung von Bauland in Innenbereichen in Gang. Durch die Einnahmen konnten Kommunen eigene Bodenfonds anlegen und so eine aktive Stadtentwicklung im Sinne des Klimaschutzes umsetzen.

Verschiedene Ansätze von städtebaulichen bis gebäudebezogenen Maßnahmen wurden national oder vor Ort umgesetzt. Kommunen wurden verpflichtet bei der Planung von Neubaugebieten eine Folgekostenrechnung anzustellen. Siehe Link

Es wird ein Flächenzertifikatehandel eingeführt Link

Große Öffentlichkeits- und Informationskampagnen haben den Bewusstseinswandel hin zu einer wertschätzenden, kreislaufgerechten Baubranche begleitet, um alle Akteur:innen des Bauens, aber auch Bauherr:innen, Investor:innen und Nutzer:innen für den Wandel zu gewinnen. Diese ökologisch orientierten Transformationen gestalteten das Zusammenleben zusehends attraktiver und fairer und verhinderten die Verdrängung benachteiligter Gruppen. Mit dem Ausbau einer breit wirksamen staatlichen Jobinitiative wurden zudem neue Arbeitsplätze geschaffen, die Ausbildung gefördert und die Beschäftigung im Baubereich attraktiver gestaltet. Hinzu kam die grundlegende Umorientierung der Lehrinhalte auf nachhaltiges Planen und Bauen in Berufs- und Hochschulen.