Gross

Energie, Güter & Dienstleistungen

Gross

Text (Stand 22.07.2024)
Gregor Hagedorn
Katharina van Treeck
Stephan Bohn

Lektorat
Lea Musiolek
Hans-Joachim Preuß
Isabel Schmittknecht

Review
Kerstin Kremer
Jan Pollex

Illustration
Carolin Nonnenmacher

2040 – Wir haben schon viel erreicht

Die Kosten für Landnutzung, Energieproduktion, Rohstoffgewinnung, Umweltschäden, Recycling und Abfallbehandlung müssen heute direkt und global gerecht bezahlt werden.

Im 20. und den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts wurde ein Großteil der Kosten für Energieproduktion, Rohstoffgewinnung, Umweltschäden, Landverbrauch und Endverwertung in andere Länder (insbesondere auf Menschen im Globalen Süden) oder auf die Schultern der eigenen Kinder verschoben.I.L.A. Kollektiv. Auf Kosten Anderer? Wie die imperiale Lebensweise ein gutes Leben für alle verhindert. (oekom verlag, 2017)

SIEHE AUCH: Energieversorgung

Vor allem Güter sind hierdurch deutlich teurer geworden und wir gehen sorgfältiger damit um. Dagegen ist Energie aus erneuerbaren Quellen viel günstiger geworden.

Ram et al.Ram, M. et al. A comparative analysis of electricity generation costs from renewable, fossil fuel and nuclear sources in G20 countries for the period 2015–2030. Journal of Cleaner Production 199, 687–704 (2018) und Ram et al.Ram, M. et al. Global energy system based on 100% renewable energy – power, heat, transport and desalination sectors. https://www.researchgate.net/publication/329714210_Global_Energy_System_based_on_100_Renewable_Energy_Energy_Transition_in_Europe_Across_Power_Heat_Transport_and_Desalination_Sectors 2018

Güter werden heute fast ausschließlich aus fair gehandelten, recycelten und erneuerbaren Rohstoffen hergestellt. Energieintensive Rohstoffe wie Rohstahl und Aluminium kommen hierbei aus Regionen, in denen erneuerbare Energien reichlich verfügbar sind. Wir achten beim Kauf darauf, dass Güter energiesparend, langlebig und reparierbar sind und konsumieren als Gesellschaft weniger.

In Zukunft könnte man zum Beispiel den Kindern zum Schulabschluss anstatt eines Autos ein von Kunstschaffenden individuell gestaltetes Fahrrad schenken. Zum Hochzeitstag könnte man statt unter größten Naturzerstörungen gewonnenen Goldschmucks eine Uraufführung eines für diesen Anlass geschriebenen kurzen Theaterstücks schenken. Statt um die halbe Welt zu einem Strand zu reisen, könnte man zu nahegelegenen Urlaubszielen mit organisierten Koch-, Tanz-, Gärtner-, Pflanzenbestimmungs-, Naturbeobachtungs-, Windsurfing-, Kletter- oder Computerspiel-Workshops reisen (eigene Ideen der Autorinnen und Autoren).
Bei Kleidung und Schmuck gibt es auch zukünftig Modeströmungen. Allerdings sind – aufgrund von Sozial- und Umweltstandards durch Lieferkettengesetze – die Produkte teurer und langlebiger. Da eine sozial-ökologische Steuerreform den Einsatz von Arbeit relativ zum Einsatz von Rohstoffen günstiger machen würde, könnten neue Dienstleistungen im Bereich Mode entstehen. Zum einen könnte ein neuer kreativer Modedienstleistungssektor entstehen, welcher vorhandene Produkte so verändert, dass sich Originalität als Individuum oder Gruppe ausdrücken lässt. Zum anderen würden die Dienstleistungen von Schneidereien verstärkt in Anspruch genommen werden, um Kleidung zu reparieren oder anzupassen. Denn Kleidung neu zu kaufen wäre dann teurer als sie reparieren zu lassen. Auch die Nutzung von Kleidung als Secondhand oder Recycling könnte dadurch attraktiver werden. Ein Instrument um sicherzustellen, dass Kleidung ordnungsgemäß recycelt wird, könnte zum Beispiel bei größeren Kleidungsstücken ein Pfandbetrag von vielleicht 20€ sein.

SIEHE AUCH: Arbeit und Einkommen – Groß

Dennoch haben wir ein gutes Leben. Auch wenn manche Menschen den Zeiten der Wegwerfkultur nachtrauern, sind die meisten Menschen letztlich zufrieden. Zum einen, weil wir auch schon vorher gemerkt haben, dass mancher Konsum uns nicht glücklicher macht. Zum anderen, weil wir neue Regeln und Infrastrukturen geschaffen haben, die das Leben und die Arbeit der Menschen verbessern.

Gerade bei Gütern des täglichen Lebens (Grundbedarfsgütern) müssen die sozialen Verteilungswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen beachtet werden. Denn nur wenn die Verteilungswirkungen – wie zum Beispiel höhere Kosten für Konsumgüter – gerecht verteilt sind, lassen sich politische Mehrheiten für diese Maßnahmen finden. Klimagerechtigkeit – also Maßnahmen, um die unterschiedliche Betroffenheit durch Klimawandel und Klimaschutzmaßnahmen auszugleichen – ist ein wesentlicher Faktor, um das Einfallstor für populistische Akteur:innen möglichst klein zu halten.

Studie zum Zusammenhang zwischen Klimaschutzmaßnahmen und PopulismusBuzogány, A. & Mohamad-Klotzbach, C. Populism and nature—the nature of populism: New perspectives on the relationship between populism, climate change, and nature protection. Z Vgl Polit Wiss 15, 155–164 (2021)

Diese Aufbauarbeit motiviert uns, weil sie künftigen Generationen Freiheiten und Raum zur Entfaltung ermöglicht und ihnen keine zerstörten Ökosysteme hinterlässt. So gibt es heute beispielsweise Infrastrukturen wie offene Werkstätten, Nachbarschaftsnetzwerke und digitale Plattformen, die das Teilen, Anpassen und Reparieren von Konsumgütern erleichtern.

01 – Empfehlung zur Reflektion unseres KonsumverhaltensRosa, H. Beschleunigung und Entfremdung: Entwurf einer kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit. (Suhrkamp, 2013)
02 – Spezialausgabe zum Thema Reparieren im Journal of Cleaner ProductionJaeger-Erben, M., Nissen, N., Hielscher, S. & Park, M. Fixing the world? Investigating repair and reparability as enablers of pathways for sustainability. Journal of Cleaner Production (2021)

Anstelle eigener Waschmaschinen oder Autos gibt es heute beispielsweise viel mehr Nachbarschaftshilfe und wir nutzen viele Online-Plattformen zum Tauschen, Teilen oder Mieten von Gütern beziehungsweise für die Vermittlung von Dienstleistungen.

Die Sharing Economy wird häufig von großen profitorientierten Unternehmen dominiert, die kleine (gemeinnützige) Anbieter vom Markt verdrängen und den Tausch kommerzialisieren.I.L.A. Kollektiv et al. Von A wie Arbeit bis Z wie Zukunft. Arbeiten und Wirtschaften in der Klimakrise. 55 https://kollektiv-periskop.org/projekte/von-a-wie-arbeit-bis-z-wie-zukunft/ (2019) Außerdem besteht die Gefahr, dass die Menschen ihren Konsum nicht reduzieren, sondern sogar ausweiten, weil sie gespartes Geld für den Konsum anderer Güter nutzen und nun Güter konsumieren, die sie vorher gar nicht (oder weniger) genutzt haben.Seiffert, J. & deutschlandfunk.de. ‘Sharing Economy’ – Fluch und Segen der Ökonomie des Teilens (Abgerufen am 11. Oktober 2021). Deutschlandfunk https://www.deutschlandfunk.de/sharing-economy-fluch-und-segen-der-oekonomie-des-teilens-100.html (2014)

01 – Projekt „I-share“, Link

02 – „A Societal Transformation Scenario for Staying Below 1.5° C“,Kuhnhenn, K., Costa, L., Mahnke, E., Schneider, L. & Lange, S. A societal transformation scenario for staying below 1.5°C. vol. 23 (Heinrich Böll Foundation and Konzeptwerk Neue Ökonomie, 2020) Tabelle 2

Eine nachhaltige Produktion macht Haushaltsgeräte haltbarer, aber auch teurer. Daher wird die Anzahl an Haushaltsgeräten zukünftig sinken. Manche Haushaltsgeräte sind zudem Luxusgüter,Oswald, Y., Owen, A. & Steinberger, J. K. Large inequality in international and intranational energy footprints between income groups and across consumption categories. Nat Energy 5, 231–239 (2020) die für ein gutes Leben nicht notwendig sind. Außerdem ermöglichen neue Infrastrukturen das Teilen und den Austausch von Haushaltsgeräten; Menschen helfen einander häufiger aus als früher.

SIEHE AUCH: Arbeit und Einkommen

Aufgrund der ausgeprägten Kreislaufwirtschaft gibt es viele Reparaturdienstleistungen günstig und in hoher Qualität. Alle ressourcenintensiven Produkte haben abgesicherte digitale Module, in denen die Nutzungsintensität, Wartungsintervalle und Reparaturen festgehalten sind, sodass der Kauf aus zweiter Hand kein Glücksspiel ist. Außerdem haben durch Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt die Menschen heute mehr Zeit für Reparaturen.

Die verstärkte Nutzung von Reparaturen gelingt zum einen durch Herstellungsverpflichtungen im Rahmen der Kreislaufwirtschaft und Cradle-to-Cradle-Konzepten. Zum anderen werden Menschen zukünftig mehr Zeit – sowohl füreinander als auch für Dinge wie Reparaturen – haben, weil Erwerbsarbeit und andere Tätigkeiten (Sorgearbeit, Subsistenzarbeit) gleichmäßiger auf alle Menschen verteilt sind (siehe Facette Arbeit und Einkommen).

Zudem ist der Konsum von Energie, Gütern und Dienstleistungen heute gleichmäßiger auf alle Menschen verteilt — sowohl national als auch international. So gibt es eine bedingungslose Daseinsvorsorge, die sicherstellt, dass die Grundbedürfnisse (Wohnen, Nahrung, Bildung, Gesundheit etc.) aller Menschen befriedigt sind — und dies möglichst ressourcenarm. Hingegen ist der Konsum von Luxusgütern, die früher starke Treiber von Treibhausgasemissionen oder anderen Umweltschäden waren, heute mit einer hohen Luxussteuer versehen.Bontrup, H.-J. Mit noch mehr indirekten Steuern zurück zum wohlfahrtsorientierten Staat Nur Luxussteuern wären ein richtiger Weg. Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 80, 189–209 (2011) Beispiele hierfür sind SUVs, Megayachten, Privatjets oder Raumflüge.Gore, T. Carbon inequality in 2030: Per capita consumption emissions and the 1.5⁰C goal. 12 https://oxfamilibrary.openrepository.com/handle/10546/621305 (2021) doi:10.21201/2021.8274

Die „Donut-Ökonomie“ erfordert, dass Konsum in einem Rahmen stattfindet, der das Wohlergehen aller innerhalb planetarer Grenzen sichert. Dafür werden (emissionsintensive) Güter zukünftig unterschiedlich behandelt — und zwar abhängig von ihrer Bedeutung für unser Wohlergehen.Oswald, Y., Owen, A. & Steinberger, J. K. Large inequality in international and intranational energy footprints between income groups and across consumption categories. Nat Energy 5, 231–239 (2020) Grundbedürfnisse sind durch öffentliche Infrastrukturen gesichert, die möglichst emissionsarm sind. Emissionsintensiver Luxuskonsum hingegen, der für das Wohlergehen weniger relevant ist, ist stark reguliert und hoch besteuert (ebenda). Aber wie legt man fest, ob ein Gut Luxus ist oder Grundbedürfnisse befriedigt? Oswald et al.Oswald, Y., Owen, A. & Steinberger, J. K. Large inequality in international and intranational energy footprints between income groups and across consumption categories. Nat Energy 5, 231–239 (2020) teilen Konsumgüter anhand zweier Kriterien ein, um hierauf eine Antwort zu finden: Erstens anhand ihrer Energieintensität (gering oder hoch) und zweitens anhand ihrer Einkommenselastizität, das heißt wie sehr sich der Konsum eines Gutes mit steigendem Einkommen verändert (<1 oder >1). Wenn ein Gut eine Einkommenselastizität >1hat, spricht man in der Ökonomie von einem Luxusgut. Denn dessen Nachfrage steigt bei einem Einkommensanstieg überproportional zum Einkommen an. Die Autorinnen und Autoren identifizieren Pauschalreisen, Fahrzeuge, Haushaltsgeräte und Transport (Flugreisen etc.) als energieintensive Luxusgüter.

Der Verbrauch von Energie ist sehr ungleich verteilt zwischen Menschen mit niedrigem und hohem Einkommen.Oswald, Y., Owen, A. & Steinberger, J. K. Large inequality in international and intranational energy footprints between income groups and across consumption categories. Nat Energy 5, 231–239 (2020) Ein zentraler Treiber ist hier der Luxuskonsum (insbesondere im Bereich Mobilität), der mit einem sehr hohen Energieverbrauch einhergeht.Oswald, Y., Owen, A. & Steinberger, J. K. Large inequality in international and intranational energy footprints between income groups and across consumption categories. Nat Energy 5, 231–239 (2020) Davis, S. J. et al. Net-zero emissions energy systems. Science 360, eaas9793 (2018) Gore, T. Carbon inequality in 2030: Per capita consumption emissions and the 1.5⁰C goal. 12 https://oxfamilibrary.openrepository.com/handle/10546/621305 (2021) doi:10.21201/2021.8274

Die Verwendung von SUVs macht den ökologischen Nutzen von E-Autos wieder zunichte, wenn nicht gegengesteuert wird, siehe hier.

Aufgrund der hohen Umweltbelastung von Luxusgütern wäre auch ihr Verbot eine denkbare Maßnahme. Für ein Verbot spricht, dass sehr reiche Menschen sich eine Luxussteuer wahrscheinlich leisten könnten, sodass der gewünschte Effekt — sehr wenig bis gar kein Konsum mehr von Luxusgütern — nicht eintreten und Luxus- und Statuskonsum ein Ziel für viele Menschen bleiben könnte. Gegen ein Verbot spricht hingegen seine politische Durchsetzbarkeit und die Tatsache, dass dem Staat so viele Steuereinnahmen entgehen könnten.

Dänemark erhebt bei der Zulassung eines Autos eine Luxussteuer von 85 bis 150% des Kaufpreises, siehe hier.

Um für einen sozialen Ausgleich zu sorgen, gibt es zudem eine direkt ausgezahlte Klimaprämie, die pro Kopf berechnet wird.

Eine Klimaprämie stellt sicher, dass ein Teil der Einnahmen durch die Bepreisung von CO2-Emissionen (und anderen Rohstoffen) pauschal an die Menschen zurückfließt. Wer weniger umweltschädlich konsumiert, bekommt mehr zurückerstattet, als er für die Emissionen bezahlt hat.

Die Schweiz hat 2008 eine Abgabe auf Heizöl, Erdgas und Kohle im Gebäudesektor eingeführt. Die Einnahmen aus dieser Abgabe fließen zu zwei Dritteln wieder an alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz zurück. Ausgezahlt wird diese Klimaprämie über reduzierte Krankenkassenbeiträge. Weitere Infos siehe hier

„CO2-Bepreisung und soziale Ungleichheit in Deutschland“, Scientists for FutureGründinger, W. et al. CO₂-Bepreisung und soziale Ungleichheit in Deutschland (Carbon Pricing and Social Equity in Germany) (PREPRINT). 1–18 https://doi.org/10.5281/zenodo.5446167 (2021)

SIEHE AUCH: Energieversorgung – Groß

Die Energieversorgung basiert vollständig auf erneuerbaren Energien und ist durch die installierten Speicher stabil. Die Naturverträglichkeit von zum Beispiel Windkraftanlagen wird nicht über Verbote, sondern vor allem über Ausgleichsmaßnahmen in anderen Flächennutzungen gewährleistet. Windräder in der Landschaft, Solaranlagen auf Dächern und an Fassaden und Luftwärmepumen in Gärten gefallen zwar nicht allen, aber das gilt für viele Infrastrukturen wie Stromtrassen, Autobahnen und Kraftwerke. Außerdem wird zum Ausgleich stärker auf eine ästhetisch ansprechende und naturschutzgerechte Gestaltung von Gebäuden und technischen Einrichtungen geachtet.

Besonders die Kombination von Naturvorranggebieten mit Photovoltaik könnte viele reizvolle und für Naturschutz und Erholung wertvolle Gebiete schaffen. Auch wenn die Photovoltaik für viele eine ästhetische Umgewöhnung bedeuten wird, könnte sie bei sorgfältiger, auf Erholung und Naturschutz ausgerichteter Planung struktur- und biodiversitätsreiche Gebiete schaffen, die ästhetisch, sozial und ökologisch bedeutend wertvoller sind als industrielle Landwirtschaft mit Monokulturen bis zum Horizont.

01 – Orientierungspunkte für ein klimaverträgliches EnergiesystemGerhards, C. et al. Klimaverträgliche Energieversorgung für Deutschland – 16 Orientierungspunkte / Climate-friendly energy supply for Germany—16 points of orientation. 1–55 https://zenodo.org/records/4409334 doi: 10.5281/zenodo.4409334 2021

02 – Die Studie „Klimaneutrales Deutschland“ zeigt auf, welche Infrastrukturen nötig sind, um ein klimaneutrales Deutschland im Jahr 2050 zu erreichen.Prognos AG, Öko-Institut e.V., & Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH. Klimaneutrales Deutschland. In drei Schritten zu null Treibhausgasen bis 2050 über ein Zwischenziel von -65 % im Jahr 2030 als Teil des EU-Green-Deals. Im Auftrag von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung Klimaneutralität. 180 https://www.agora-energiewende.de/veroeffentlichungen/klimaneutrales-deutschland/ (2020) Zusammenfassung

Die Art, wie wir Energie im Alltag nutzen, hat sich nur wenig verändert. Der Verbrauch wurde an vielen Stellen durch Digitalisierung („smart meter“, „smart home“) flexibilisiert, sodass die Spitzenlasten verringert werden. Dies funktioniert jedoch überwiegend hinter den Kulissen. So heizt der Warmwasserspeicher in Zeiten von Stromüberschuss mit günstigem Strom etwas stärker und umgeht den teuren Strom zu Zeiten des Spitzenverbrauchs.

SIEHE AUCH: Wohnen und Immobilienwirtschaft, Bauen und Wärmeversorgung

So könnte im Einfamilienhaus zukünftig der Energieverbrauch für Wärme zum Beispiel über automatisch gesteuerte Wärmespeicher (mit 1 bis 3 Tagen Speicherfähigkeit) flexibilisiert werden. Viele Einfamilienhäuser würden sich hierzu zu kleinen Wärme-Nahnetzen zusammenschließen, um gemeinsam die Wärmeversorgung billiger zu machen. Auch der Gefrierschrank (nicht der Kühlschrank) könnte kurzfristig etwas überkühlt werden, um anschließend in Zeiten der Spitzenlast auf die Maximaltemperatur zurückzukehren.

Bei einigen energieintensiven Geräten gibt es benutzerfreundliche Steuerungen, um die Stromnutzung zeitlich an das Angebot anzupassen.

„Sofort oder flexibel“: Es macht auch in den Haushalten Sinn, die Spitzen des Strombedarfs zu reduzieren. Der Energieversorger kann hierfür „Spitzenlast“ und damit erhöhte Preise signalisieren. Auf Verbraucherseite könnte es bei Geräten wie Waschmaschine, Geschirrspüler oder der Ladeeinrichtung von Elektroautos zum Beispiel Stellknöpfe mit „2-Stunden-flexibel“, „6-Stunden-flexibel“, „12-Stunden-flexibel“ und „Sofort (teuer)“ geben. Sind Verbraucher:innen im flexiblen Modus, versuchen die Geräte während Zeiten hoher Strompreise den Betrieb zu unterbrechen oder zunächst nicht aufzunehmen. Man kann dennoch sofort das Gerät nutzen, nur ist das unter Umständen teurer. Interessant: Waschmaschinen/Trockner-Kombis sind zwar energieintensiver, aber auch flexibler (man muss nicht unmittelbar nach Beendigung des Waschprogramms die Wäsche aufhängen). Was sich hier auf Dauer durchsetzt, kann man heute noch nicht sagen.

Die Maßnahmen, die uns auf den Weg brachten

SIEHE AUCH: Industrielle Produktion

Viele neue Regeln halfen im Verlauf der 2020er Jahre, unseren Energie- und Materialkonsum zu senken. Besonders wichtig waren die Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistung auf 5 Jahre, das Recht auf Reparatur durch freie Werkstätten, Änderungen des Steuerrechts für Reparaturdienste sowie ein gesetzlich vorgeschriebener Mindestzeitraum für Ersatzteilversorgung und Sicherheitsupdates vernetzter Geräte von zunächst 10 Jahren.

01 – Schweden und Belgien haben den Mehrwertsteuersatz für Reparaturdienstleistungen — wie die Reparatur von Kleidung oder Fahrrädern — gesenkt.Heinz, R. & Meyer, K. Der französische Reparaturindex. Ein Modell für Deutschland und die EU? RTR Factsheet. Abgerufen am 12. Oktober 2021. 9 https://www.germanwatch.org/de/18549 (2020)
02 – Frankreich hat 2020 einen verpflichtenden Reparaturindex für Güter wie Waschmaschinen und Laptops eingeführt.Heinz, R. & Meyer, K. Der französische Reparaturindex. Ein Modell für Deutschland und die EU? RTR Factsheet. Abgerufen am 12. Oktober 2021. 9 https://www.germanwatch.org/de/18549 (2020)
03 – Siehe auch: Link

Ersatzteilversorgung und Sicherheitsupdates sollten längerfristig, mit zunehmender Haltbarkeit der Geräte, auf 20 Jahre ausgeweitet werden.

Für elektronische Geräte wie Laptops und Smartphones wurde beispielsweise die Regel eingeführt, dass eine Reparatur vom Hersteller gewährleistet werden muss. Die Angemessenheit der Kosten wird dabei stichprobenartig von einer unabhängigen Kommission beurteilt. Es gibt zudem Kennzeichnungspflichten über die erwartete durchschnittliche Haltbarkeit (welche durch Stichproben von der neuen staatlichen Energie- und Rohstoffagentur überprüft wird) und den Energieverbrauch. Auch die Energielabel beziehen sich inzwischen auf den Fußabdruck eines Produktes über den gesamten Lebenszyklus, also inklusive Produktion und Recycling.

SIEHE AUCH: Immobilienwirtschaft, Bauen und Wärmeversorgung

Wenn sich Energielabel auf den Umwelt-Fußabdruck im gesamten Lebenszyklus beziehen, gemittelt über die durchschnittliche Nutzungszeit, wird beispielsweise der Fußabdruck eines energie- und rohstoffaufwändig produzierten SUV klarer als beim in den 2020er Jahren üblichen Bezug auf Brennstoff pro Fahrkilometer. Die Einbeziehung der Herstellungs- und Rückbaukosten in die Bilanzpflichten ist besonders relevant im Wohnungsbau.

Für viele Produkte gibt es je nach Produktionsweise gestaffelte gesetzliche Gebühren zur Deckung der gesellschaftlichen Kosten von Rückbau, Recycling oder Endlagerung von Resten.

„Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen“Umweltbundesamt. Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen. https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen (2021)

Diese sollten mindestens für alle Geräte gelten, welche elektrische oder elektronische Bestandteile haben. Die Gebühren sollen dazu führen, dass möglichst viele Produkte repariert oder fachlich zerlegt und die Rohstoffe bestmöglich genutzt werden. Für welche weiteren Produkte dies gelten sollte, lassen wir zunächst offen.

Um diese Herstellerpflichten zu gewährleisten, wurde ein Insolvenz-Ausfallsystem eingeführt, in das alle Hersteller und Importeure einzahlen müssen. Bei Direktimporten aus Ländern außerhalb der EU erhebt der Zoll entsprechende Ausgleichsabgaben. Insgesamt führte dies daher zu einer Stärkung der Wirtschaft innerhalb der EU.

SIEHE AUCH: Materialflüsse, Abfall und Recycling

Käufer:innen zahlen beim Kauf 15% Pfand und 15% Verwertungsgebühr an die Verkäufer:innen, die die Gelder an eine Treuhandstelle weiterleiten. Das Pfand erhalten Verbraucher:innen bei Rückgabe des Produktes an qualifizierte Händler und Verwertungsstellen zurück; die Verwertungsstelle erhält von der Treuhandstelle das Pfand und die Verwertungsgebühr zurück. Verwerter:innen müssen im Laufe der Zeit steigende Wiederverwertungsquoten (durch Reparatur, Zweitverwertung oder Recycling) nachweisen; dies wird von einer staatlichen Stelle geprüft.

Ein Teil der Produkte wird ohne Einforderung von Pfand und Verwertungsgebühr im allgemeinen Müll landen; die staatliche oder gemeinnützige Treuhandgesellschaft kann daher einen Teil der Einnahmen für weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Energie- und Rohstoffflüsse verwenden.

SIEHE AUCH: Industrielle Produktion, Handel und Welthandel

Das EU-Lieferkettengesetz von 2023 wurde verschärft und stellt heute sicher, dass sämtliche Güter nur noch Rohstoffe aus fairem Handel enthalten.

Lieferkettengesetze verpflichten Hersteller zu Transparenz bei der Produktion, insbesondere im Bereich Naturschutz, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Einhaltung von Menschenrechten. All das macht es einfacher für uns als Konsument:innen.

SIEHE AUCH: Arbeit und Einkommen

Neben der Bepreisung von CO2-Emissionen wurden nach und nach auch weitere lenkende Bepreisungen von besonders umweltbelastenden Stoffen und Verfahren eingeführt. Dadurch wurde der langfristige Trend in Europa von immer höheren Lohnkosten und immer günstigeren Produkten umgekehrt. Durch die zusätzlichen Einnahmen war es zum Beispiel möglich, die Lohnsteuern insbesondere in den unteren Einkommensklassen zu senken. Insgesamt wurde die menschliche Arbeit relativ günstiger und Dienstleistungen wie Reparaturen lohnen sich deutlich mehr im Vergleich zu einer Neuanschaffung.
Viele weitere Regeln wurden nach intensiven gesellschaftlichen Verhandlungen angepasst. Zum Beispiel sind zentrale Sharing-Plattformen heute meist als Genossenschaften organisiert, damit die Daten der Nutzer:innen und die Netzwerkeffekte allen zugutekommen. So wurde auch die anfängliche Kritik an der sharing economy und der Zentralisierung auf internationalen Plattformen aufgenommen und die Akzeptanz der Plattformen erhöht.

„Owning platforms – cooperatives in the digital economy“ Denga, M. Owning platforms – cooperatives in the digital economy – Digital Society Blog. HIIG https://www.hiig.de/en/owning-platforms-cooperatives-in-the-digital-economy/ (2020)

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