Text
Urban Weber
Gregor Hagedorn
Aribert Peters
Volker Quaschning
Friedrich J. Bohn
Stephan Bohn
Alex Neumann
Lektorat
Niklas Roming
Isabel Schmittknecht
Antonia Rötger
Review
Franziska Hoffart
Christoph Gerhards
Illustration
Linda Voß
2040 – Wir haben schon viel erreicht
Die Energieversorgung war der wichtigste Hebel, um eine klimaverträgliche Lebensweise zu erreichen. In einem großen Kraftakt wurde der Endenergiebedarf deutlich reduziert. Erneuerbare Energien wurden ausgebaut und die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas ist beendet. Damit ist Deutschland ein weltweit angesehenes und wirtschaftlich erfolgreiches Beispiel für die Energiewende.
(zu „Endenergiebedarf reduziert“) Gerhards et al. (2021)Gerhards et al., 2021: Gerhards, C., Weber, U., Klafka, P., Golla, S., Hagedorn, G., & et al. (2021). Klimaverträgliche Energieversorgung für Deutschland – 16 Orientierungspunkte (No. 7; Diskussionsbeiträge). Scientists for Future. https://doi.org/10.5281/zenodo.4409334 schreiben z. B. unter „5. Reduktion des Energiebedarfs“: „Je mehr Energie wir einsparen, desto leichter ist es, den verbleibenden Energiebedarf rechtzeitig klimaneutral zu decken. Wenn man erneuerbare Energien etwa in Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen direkt nutzt – also in Form von Elektrizität – dann steigt zwar der Strombedarf an, aber der Energiebedarf insgesamt sinkt deutlich, weil wir dadurch den Bedarf an Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel reduzieren. Zur Energieeinsparung gehört auch, dass wir den Gebäudebestand so schnell wie möglich energetisch sanieren, um den Wärmebedarf zu senken. Außerdem können wir durch einen reduzierten Konsum einen Beitrag leisten, ebenso wie durch die Steigerung der Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit und Wiederverwertbarkeit von Produkten. Insbesondere Verhaltensänderungen spielen hier eine wichtige Rolle. In der Vergangenheit wurden Effizienzgewinne häufig durch Mehrverbrauch an anderer oder gleicher Stelle wieder zunichte gemacht (Rebound-Effekt). Um dies in Zukunft zu vermeiden, brauchen wir geeignete Rahmenbedingungen und Anreizsysteme.“
Literaturempfehlung: Für konkrete Ausbauzahlen erneuerbarer Energien siehe herkulesprojekt.de/de/Barometer.html
Glossar: Endenergiebedarf ist der Umfang der Nutzung von Energie (in Form von z.B. Strom, Gasen, Brennstoffen etc.) als Endenergie, also jener Energie, die Verbraucher (sowohl Haushalten als auch Institutionen und Gewerbe) vor Ort für ihre Zwecke zur Verfügung steht.
Umweltschonendes, energieeffizientes und ressourcenschonendes Wirtschaften rechnet sich für Betriebe und Bürger:innen. Die Energiekosten sind – trotz der Zusatzkosten für Speichersysteme – nicht höher als im früheren, klimazerstörenden System.
Gerhards et al. (2021) schreiben z. B. unter „14. Kosten der Energiewende“ (Kurzfassung): „Die Kosten einer mit dem Pariser Klimaabkommen kompatiblen Energieversorgung sind mittel- bis langfristig nicht höher als heute. Berücksichtigt man die aktuell nicht eingepreisten Umweltbelastungen (sogenannte „externalisierte“ Kosten), ist ein klimaverträgliches Energiesystem sogar schon heute deutlich günstiger. Geringere Betriebskosten gleichen die im Vergleich zur bisherigen Energieversorgung höheren Investitionskosten aus.“
Energiepflanzen tragen nur einen kleinen Teil zur Energieversorgung bei.
SIEHE AUCH: Nahrung und nachwachsende Rohstoffe
Energiepflanzen stehen aufgrund des vergleichsweise hohen Flächenbedarfs in Konkurrenz zur Ernährungssicherung und anderen Landnutzungen wie der Erhaltung der Biodiversität sowie dem Anbau von Bauholz und nachwachsenden Rohstoffen für Baugewerbe und Industrie. Hier ist auch mit erhöhter Nachfrage zu rechnen. Gerhards et al. (2021) schreiben z. B. unter „4. Biomasse und ökologische Zielkonflikte“ (Kurzfassung): „… Wir sollten nur in geringem Umfang Biomasse zur Energiebereitstellung nutzen. Denn land- und forstwirtschaftliche Flächen sind begrenzt und werden in Zukunft für viele Aufgaben benötigt. Hierzu gehören insbesondere der Anbau von Nahrungsmitteln und nachwachsender Rohstoffe, der Naturschutz, die Wiedervernässung von Moorböden (um CO2-Freisetzung zu stoppen), sowie die Energieproduktion mittels Wind- und Solaranlagen. Aus diesem Grund sollte der gezielte Anbau von Energiepflanzen in Deutschland auslaufen. Die Nutzung von Biomasse zur Energiebereitstellung sollte sich auf Reststoffe beschränken, die nicht anders verwertbar sind.“
Glossar: Als „Energiepflanzen“ bezeichnet man man Gräser (z.B. Mais), krautige Pflanzen (z.B. Silphie) oder Sträucher und Bäume (z.B. Pappel, Weide, Robinie & Paulownia), die gezielt zur Energiegewinnung durch direkte Verbrennung oder Erzeugung von Biogas angebaut werden.
Die Energieversorgung ist ganzjährig gesichert. Durch den raschen Ausbau von Windkraft und PV steht zeitweilig ein erhöhtes Angebot an Strom zur Verfügung. Dieser wird mittels Elektrolyse in grünen Wasserstoff sowie – aufgrund der geringen Effizienz nur im absolut notwendigen Umfang – in synthetische Flüssigkraftstoffe umgewandelt.
Die häufig geäußerte Sorge, dass die Sicherheit der Stromversorgung durch eine schnelle Energiewende gefährdet ist, ist nicht begründet. Es ist eine Frage der Investitionen in ein neues System: Mit intelligentem Lastmanagement, ausreichenden Batterie-, Wasserstoff- und Wärmespeichern, mit Wasserstoff betriebenen Gaskraftwerken sowie mit speziellen Komponenten für die kurzfristige Laststabilisierung kann die Energieversorgung sichergestellt werden. Batterien dienen vorwiegend als Kurzzeitspeicher über Nacht, während Wasserstoff (neben seiner Bedeutung für bestimmte Hochtemperaturprozesse, die Stahl- und Chemieindustrie, sowie synthetische Treibstoffe für den Luft- und Schiffsverkehr) als Langzeitspeicher dient. Der Wasserstoff wird in vielen, nur wenige hundert Stunden im Jahr laufenden Reservekraftwerken (quasi „Notstrom-“ bzw. „Notwärmeaggregaten“) verbrannt. Diese können aufgrund der relativ kurzen Laufzeiten weniger effizient und daher billiger sein als auf Dauerbetrieb ausgelegte Großanlagen. Siehe hierzu auch Gerhards et al. (2021).
In Zeiten längerer Unterversorgung durch Wind und Solarenergie wird Wasserstoff in Reservekraftwerken zur Strom- und Wärmeversorgung genutzt, ergänzt durch saisonale Wärmespeicher.
(zu „Wasserstoff“) Gerhards et al. (2021) schreiben z. B. unter „9. Wasserstoff und Syntheseprodukte“ (Kurzfassung): „Es werden große Mengen synthetischer Energieträger aus treibhausgasneutraler und umweltverträglicher Herstellung gebraucht, um eine klimaverträgliche Stahl-, Chemie- und Düngemittelindustrie zu ermöglichen. Hierzu zählen vor allem Wasserstoff sowie daraus erzeugte Folgeprodukte wie synthetische Kohlenwasserstoffe und Ammoniak. Außerdem werden diese Energieträger für Bereiche des Flug- und Schiffsverkehrs wie auch als Langfristspeicher für die sichere Stromversorgung benötigt. Die Herstellung von Wasserstoff oder Folgeprodukten benötigt jedoch deutlich mehr erneuerbare Energien als eine direkte Nutzung von Strom. Aus diesem Grund sollte man für die meisten Anwendungen im Straßenverkehr und in der Wärmeversorgung auf effizientere und kostengünstigere Alternativen zurückgreifen.“
(zu „Reservekraftwerke“) Gerhards et al. (2021) schreiben z. B. unter „12. Bedarf an Speichern im Elektrizitätssystem“: „In einem klimaverträglichen Elektrizitätssystem kann ein Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage teilweise durch internationale Kooperation und flexible Verbraucher geschehen. Darüber hinaus sind Speichertechnologien notwendig. Diese stehen kurz vor der Marktreife oder werden zum Teil heute schon genutzt: Batterien und andere Technologien dienen als Kurzzeitspeicher. Zusätzlich kann man verstärkt Seen, zum Beispiel in Norwegen, als Energiespeicher nutzen. Für die langfristige Speicherung kann die regenerative Erzeugung von Wasserstoff oder gasförmigen Syntheseprodukten genutzt werden. Diese Gase lassen sich in vorhandenen unterirdischen Kavernen speichern. Hiermit betriebene Kraftwerke können die zur Sicherung der Energieversorgung in Dunkelflauten über mehrere Wochen nötige Reserveleistung bereitstellen.“ Zu den notwendigen Kapazitäten und zur Regulierung siehe e-vc.org/wp-content/uploads/e.venture_Point_of_View_Strommarkt_2040.pdf
Energieimporte finden überwiegend in Form energiedichter Produkte (Roheisen, Ammoniak oder synthetische Kraftstoffe) statt. Gleichzeitig unterhalten wir Energie-Partnerschaften mit befreundeten Ländern in Europa und Anrainerstaaten: Stromfernleitungen senken die Kosten für Reservekraftwerke und erhöhen die Widerstandsfähigkeit („Resilienz“) des europäischen Energiesystems. Der Umfang von Energieimporten jenseits der EU ist begrenzt, um zu vermeiden, dass die EU erpressbar ist.
Gerhards et al. (2021) schreiben z. B. unter „3. Energieimporte“ (Kurzfassung): „Die Strategie, große Mengen an erneuerbaren Energien in Form von Strom oder synthetischen Energieträgern (einschließlich Wasserstoff und sogenannte „E-Fuels“) zu importieren, birgt Chancen und Risiken. Diese müssen abgewogen werden. Für Importe sind z. B. sehr hohe Investitionen für die Erzeugungs- und Transportinfrastruktur im Ausland nötig. Weiter besteht ein Sicherheitsrisiko, von Importen abhängig zu sein, und ein Kostenrisiko, dass die Importe sehr teuer werden, falls besonders viele Länder erneuerbare Energie importieren wollen. Darüber hinaus sind Importe in großen Mengen nur dann sinnvoll, wenn sichergestellt ist, dass die Energieversorgung auch in den Exportländern klima-, umwelt- und sozialverträglich ist. Die Chancen hoher Importmengen liegen vor allem in größerer Flächenverfügbarkeit, teilweise höherer solarer Einstrahlung bzw. höherem Windertragspotential sowie bisweilen höherer gesellschaftlicher Innovationsdynamik für den Ausbau einer klimaverträglichen Energieversorgung in anderen Ländern.“
„Energiedichte Produkte“ Für den Import besonders geeignete energiedichte Produkte sind z. B. synthetische Kohlenwasserstoffe (als Erdöl-Ersatz), Rohstahl, Aluminium und Ammoniak. Bei letzteren Produkten müssen die vorhandenen Produktionsanlagen ohnehin stillgelegt und auf völlig neue klimaneutrale Prozesse umgestellt werden. Investitionen in besonders sonnenreichen Ländern sind daher hier – sobald die klimazerstörenden derzeitigen Anlagen nicht mehr weiter betrieben werden können – ökonomisch besonders attraktiv. Hierdurch würden Arbeitsplätze in der deutschen Rohstahl- und Aluminiumproduktion weggefallen; dies könnte jedoch durch drastischen Ausbau der Recyclingprozesse aufgefangen werden.
Für die kurzen Unterbrechungen über 48 h hinweg (es gibt auch z.B. 5-tägige Unterbrechungen) hat der Deutsche Wetterdienst untersucht, wie oft erneuerbare Erzeugungsanlagen pro Kalenderjahr hinweg weniger als 10 % ihrer üblichen Leistung erbrachten: Nur für Windkraftanlagen auf dem Land war das innerhalb eines Jahres 23-mal der Fall, bei Kombination mit Off-Shore-Windkraftanlagen nur 13-mal, bei PV-Anlagen nur 2-mal. Bei einer hypothetischen europaweiten Betrachtung tritt eine solche Stromversorgungslücke 0,2-mal pro Jahr auf – also statistisch betrachtet alle fünf Jahre einmal. Häufigkeit und Dauer künftiger Versorgungslücken hängen folglich vom Stromverbrauch, dem Ausbaustand der Erneuerbaren und der Größe der betrachteten Region ab. Siehe auch Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag (2019) und Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag (2021).
In vielen Fällen war die dezentrale Energieproduktion und -speicherung günstiger als der Ausbau der Fernleitungen (Kendziorski et al., 2021)Kendziorski et al., 2021: Kendziorski, M., Göke, L., Kemfert, C., von Hirschhausen, C., von Fabian Präger, E. Z., Rodriguez, C., & Winkler, J. (2021). 100 % erneuerbare Energie für Deutschland unter besonderer Berücksichtigung von Dezentralität und räumlicher Verbrauchsnähe-Potenziale, Szenarien und Auswirkungen auf Netzinfrastrukturen. Studie in Kooperation mit der 100 Prozent Erneuerbar Stiftung (Vol. 167). DIW Berlin, German Institute for Economic Research. ISBN 978-3-946417-58-3 https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.816979.de/diwkompakt_2021-167.pdf. Durch marktkonforme regulatorische Anreize (Koppelung des Finanzausgleichs an den durchschnittlichen Pro-Kopf-CO2-Fußabdruck, Strompreiszonen) entstand ein intensiver Wettbewerb, der einen fokussierten Netzausbau ermöglichte und in Bayern und Baden-Württemberg zu einem Boom der Windkraft führte.
Fernleitungen in Europa werden voraussichtlich überwiegend als Gleichstrom-Höchstspannungsleitungen ausgeführt (UHVDC, ultrahigh voltage direct current). Bereits seit 2019 gibt es in China eine derartige 12 GW Leitung (Zhundong–Wannan: 12 GW über ±1,1 MV und 3324 km; absehbar ist ein nächster Schritt auf 1,5 MV und 22 GW. Die elektrischen Verluste in solchen Fernleitungen sind erstaunlich gering; bereits mit 0,8 MV Leitungen können die Leitungsverluste über 5000 km weniger als 15 % betragen (Quaschning, 2011, Regenerative Energiesysteme. Technologie – Berechnung – Simulation. München 2011, S. 162).
Ein wichtiger Teil der Umgestaltung der Energieversorgung war die Flexibilisierung des Verbrauchs, bei der Preissignale den Verbrauch steuern und die Stromnachfrage bei geringem Stromangebot verringern. Hinzu kamen die Effienzsteigerungen durch SmartGrids sowie bei Industrieprozessen, Transport, Gebäude- und Prozesswärme.
SIEHE AUCH: Energie, Güter und Dienstleistungen, Verkehrssystem, Bauwesen und Wärmeversorgung, Nahrung und nachwachsende Rohstoffe
Für „Smart Grid – intelligente Steuerung der Stromnetze für Energiewende“, siehe z.B. utopia.de/ratgeber/smart-grid-intelligentes-stromnetz-fuer-die-energiewende/, iee.fraunhofer.de/en/research_projects/smart_grids.html
Zu Flexibilisierung des Verbrauchs siehe vde.com/resource/blob/2283424/ecae13601387c8f642140f9f29d09c34/vde-st-a4-energie-flex-10-2023-rz-web-neu-data.pdf
Zu „Änderungen bei Transport, Gebäudewärme, Prozesswärme“: Zahlreiche Veränderungen sind nötig, damit der Energiebedarf als Ganzes deutlich sinkt: weniger Verkehr, mehr öffentlicher Verkehr, Elektroantriebe, Schienentransporte, weniger Wohnfläche pro Person, Wärmedämmung und Wärmepumpen – um nur einige der wichtigsten Punkte zu nennen. Dennoch wird es zu einem starken Anstieg des Strombedarfs kommen. Strom ist die „Ursprungsenergie“ für vielfältige Umwandlungsprozesse geworden, statt am Ende ineffizienter Umwandlungsprozesse zu stehen.
Die Maßnahmen, die uns auf den Weg brachten
Das Bundesverfassungsgericht stellte im April 2021 festBVerfG 2021: BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 -, Rn. 1-270, http://www.bverfg.de/e/rs20210324_1bvr265618.html, dass Deutschland zur Erfüllung seines globalen Beitrags verpflichtet ist. Obwohl ein Großteil der Bevölkerung dies zuvor ebenfalls so gesehen hatte, half das Urteil dabei, einen gesamtgesellschaftlichen Wandel anzustoßen.
Das Bundesverfassungsgericht (2021) schreibt: „Das Klimaschutzgebot verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken. Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen.“
Um eine globale Klima- und Naturkatastrophe abzuwenden, haben wir einen zeitkritischen – aber dennoch kosteneffizienten – Wandel in Angriff genommen. Nötig waren mutige Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und unternehmerische Entscheidungen. Es entwickelte sich eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik, die zu einem schnellen Hochfahren und rascher Verbreitung neuer Technologien führte (Speicher, Flexibilität, Elektromobilität und Wärme). Diese erwiesen sich innerhalb der Rahmenbedingungen als überlegen.
Einen Überblick geben auch Gerhards et al. (2021). Sie schreiben z. B. unter „1. Zügige Reduktion der CO2-Emissionen“ (Kurzfassung): „Wir sollten die globale Energieversorgung schnellstmöglich umgestalten, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten und eine lebenswerte Zukunft sicherzustellen – sowohl für uns als auch für kommende Generationen.“ Unter „2. Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien“ (Kurzfassung) zudem: „Um die Klimaziele zu erreichen, ist es notwendig, die Versorgung von Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien in Deutschland deutlich schneller auszubauen. Bis wann wir davon wie viel mehr brauchen, ergibt sich aus dem CO2-Budget, dem Energiebedarf und daraus, wie viel Energie wir importieren wollen und können. Die Zeit spielt hierbei eine entscheidende Rolle: Die Ziele, die wir uns für die nächsten fünf bis zehn Jahre setzen, müssen sich daran orientieren, bereits bis ca. 2035 nahezu vollständig auf erneuerbare Energien umgestiegen zu sein. Das ist deutlich früher als Deutschland und die Europäische Union bisher planen.“
Speichertechnologien sind z.B. Batterie- und Wärmespeichern, eine stationäre Weiternutzung von Fahrzeugbatterien mit reduzierter Kapazität („second life“), bidirektionales Laden von Elektrofahrzeugen und Power-to-X-Technologien (Gase, Flüssigkeiten und Wärme) zur Speicherung von Stromüberschüssen aus erneuerbaren Energien: de.wikipedia.org/wiki/Power-to-X.
Gleichzeitig begriff man, dass die deutsche Wirtschaft durch Export von Technologien, Produkten und Geschäftsmodellen sowie Fachwissen und Know-How von einem raschen Wandel profitieren kann. Daher wurde massiv in Ausbildung und Umschulung von Fachkräften zur Realisierung der Energiewende investiert.
Gerhards et al. (2021) schreiben z. B. unter „1. Zügige Reduktion der CO2-Emissionen“ (Kurzfassung): „Deutschland trägt mit seinen technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Fähigkeiten hierfür eine besondere Verantwortung. Der Umbau ist sowohl finanziell als auch technisch möglich. Eine engagierte deutsche Beteiligung sichert den Industriestandort Deutschland.“
Nötig wäre ein Aufbruchssignal für den Ausbau der Zukunftsberufe. Unterstützt könnte dies durch eine Reform der Ausbildungsinhalte werden, welche fokussierte Qualifikationen mit einem Jahr Ausbildungszeit ermöglichen. Insgesamt könnten z. B. ca. 200 000 Personen als Solarteur:innen, 200 000 Arbeitskräfte in der Windkraftbranche, sowie insgesamt 150 000 Arbeitskräfte bei Speichern und Netzausbau, sowie 400 000 Personen bei Wärmeisolierung von Gebäuden und Austausch der Heizungsanlagen ausgebildet werden. Einkommensverluste von Arbeitnehmer:innen aufgrund anderer Tarife nach Umschulungen könnten staatlich ausgeglichen werden um die Bereitschaft zu honorieren, gesellschaftlich notwendige Veränderungsprozesse aktiv zu unterstützen. – Hinweis: Diese Zahlen sind plausibel, aber selbstverständlich keine genauen Vorhersagen. Summiert man verschiedene Berechnungen und passt diese an die Erfüllung der Pariser Klimaschutzziele an, kommt man auf eine Summe zwischen 1 und 1,3 Millionen Arbeitsplätze.
Gerhards et al. (2021) schreiben z. B. unter „15. Arbeitsmarkt“ (Kurzfassung): „Aufbau, Betrieb und Wartung einer regenerativen Energieversorgung ebenso wie eine beschleunigte energetische Gebäudesanierung schaffen sehr viele Arbeitsplätze in Deutschland. Wenn frühzeitig Planungssicherheit über eine schnelle Energiewende besteht, können neu entstehende Arbeitsplätze den Wegfall von Arbeitsplätzen in anderen Industriesparten vollständig und rechtzeitig ausgleichen. Durch die Entwicklung und Umsetzung neuer Technologien und Dienstleistungen entstehen für die deutsche Wirtschaft gleichzeitig zukunftsträchtige Exportmöglichkeiten auf den Weltmärkten. Fehlt diese Planungssicherheit hingegen, könnte sich ein Fachkräftemangel in den Sektoren Planung, Bau- und Energiewirtschaft als ein wesentliches Hindernis bei der Energiewende herausstellen.“
Für den unter Annahmen einer wesentlich langsamer ablaufenden Energiewende prognostizierten Fachkräftemangel siehe vdzev.de/branche/fachkraefte/
Die Kernenergie wurde hingegen nicht wieder aufgebaut.
Gerhards et al. (2021) schreiben z. B. unter „10. Kernenergie“ (Kurzfassung): „Einem Ausbau der Kernenergie stehen hohe Kosten, erhebliche Sicherheitsbedenken, lange Bauzeiten und das noch immer ungelöste Endlagerproblem entgegen. Daher ist Kernenergie nicht in der Lage, in der verbleibenden Zeit einen sinnvollen Beitrag zum Umbau zu einer klimaverträglichen Energieversorgung zu leisten. Das gilt auch für die Kernfusion. Aufgrund der vorhandenen Alternativen ist Deutschland nicht auf die Kernenergie angewiesen, um eine klimaverträgliche Energieversorgung bis 2035 zu erreichen.“
Sachverständigenrat für Umweltfragen, Jahresgutachten 2020 https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/01_Umweltgutachten/2016_2020/2020_Umweltgutachten_Kap_02_Pariser_Klimaziele.pdf;jsessionid=A70FCF43DEDC528417F554C8B1B4D4C9.2_cid292?__blob=publicationFile&v=22
Nach einer systematischen Analyse, die Subventionen, gesellschaftliche Langzeitkosten und geopolitische Abhängigkeiten einbezog, wurde strategisch entschieden, Energie-Importe von außerhalb der EU zu begrenzen. Ein schneller EU-weiter Ausbau erneuerbarer Energien, Wasserstoffproduktionskapazitäten sowie des Stromhandels waren vergleichsweise kostengünstig und sicherten sowohl die Energieversorgung als auch Arbeitsplätze.
Ausbau erneuerbarer Energien: Als Pfad wurde für die ersten 10 Jahre ein jährlicher Zubau von mindestens 30 GW Photovoltaik und 9 GW an Windkraftanlagen festgeschrieben (siehe Gerhards et al. 2021). Die in den ersten Jahren aufgrund mangelnder Installationskapazitäten noch nicht ausgeschöpften Kapazitäten wurden in späteren Jahren nachgeholt. Im Jahr 2040 sollte der Grundbedarf vollständig installiert sein, allerdings können noch Zusatzkapazitäten von PV auf Dächern installiert werden, die aufgrund von Arbeitskräftemangel früher nicht möglich waren. Weiterhin würden viele Arbeitskräfte für Anlagenwartung und den Ersatz von defekten oder überalterten Wind- und Photovoltaik-Anlagen tätig sein.

Der Ausbau vor allem von Windkraft und Photovoltaik, in geringerem Umfang auch anderer erneuerbarer Energiequellen, ist nach Ansicht vieler Wissenschaftler:innen der wirtschaftlich und sicherheitspolitisch sinnvollste Pfad. Bleibt der Ausbau der erneuerbaren Energien hinter der Notwendigkeit zurück, kann die für eine Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze notwendige CO2-Emissionsreduktion nur bei extrem großer Energieeinsparung oder sehr hohen Importmengen erreicht werden. (Gerhards et al 2021). Die Ausbauraten bei Photovoltaik sind unter Einbeziehung naturverträglicher Freiland-Anlagen und in Kombination mit Landwirtschaft („Agri-Photovoltaik“) durchaus realistisch. Gerhards et al. (2021) schreiben z. B. unter „11. Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen“: „Aus den bisher genannten Gründen sind ambitionierte Ausbauziele für Solar- und Windkraftanlagen wichtig. Unserer Einschätzung nach sind bis 2030 zum einen nur geringe Importe erneuerbarer Energie möglich, zum anderen ist das Potential für Energieeinsparungen in dieser kurzen Zeit nur zum Teil realisierbar. Wenn die Bereiche Mobilität und Wärmeversorgung ambitioniert elektrifiziert werden […] und wir in die inländische Wasserstoffproduktion einsteigen […], könnte der Bedarf an elektrischer Energie im Jahr 2030 nach unseren Schätzungen ca. 875 TWh im Jahr betragen (2019 waren es ca. 525 TWh). Ein Großteil dieser Energiemenge kann in Deutschland z. B. mit 350 GW Photovoltaik und 150 GW Windkraft bereitgestellt werden (installierte Nennleistungen). Liegt der Ausbau bis 2030 – z. B. gemäß den derzeitigen Planungen der Bundesregierung – deutlich unter diesen Zahlen, kann eine entsprechende CO2-Emissionsreduktion nur bei sehr großer Energieeinsparung oder sehr hohen Importmengen erreicht werden.“
Teilweise wurden Solarpflichten für Gebäude und größere Parkplatzflächen eingeführt.
Längerfristig sind gewisse Solarpflichten auch auf Altbauten nötig, d.h. im gesamtgesellschaftlichen Interesse sind grundsätzlich alle geeigneten Dachflächen solar zu nutzen. Im Bestand könnte zunächst einerseits die solare Nutzung eigener Dachflächen durch pauschale Besteuerung vereinfacht werden, andererseits Eigentümer, welche Solarpotential unbegründet nicht nutzen, höher besteuert werden. Letztlich kann eine Solarpflicht auch im Bestand dadurch erfüllt werden, dass, wenn keine eigene Anlage errichtet wird, Dritten (z.B. Energiegenossenschaften) das Dach kostenneutral zur Nutzung überlassen wird.
Die Mindestabstände von Windkraftanlagen zu Wohngebäuden wurden auf den für Mülldeponien geltenden Abstand (500 m) reduziert. Im Freiland gab es zudem Förderungen für Solaranlagen, die parallel Landwirtschaft oder Naturschutz ermöglichen, insbesondere auf wiedervernässten organischen Böden.
Nutzung von PV mit Landwirtschaft wird auch „Agri-PV“ genannt. Hier werden die Paneele so gebaut, dass durch Beschattung nur 20 % Ertragseinbußen entstehen. Bei zunehmender Erderhitzung kann der Ertrag unter Agri-PV jedoch sogar den ohne Agri-PV übersteigen, da die Beschattung den Einfluss von Trockenheit reduziert. Siehe auch beuth.de/de/technische-regel/din-spec-91434/337886742.
Investitionen unter Beteiligung von Gemeinden oder allen Bürger:innen offen stehenden Genossenschaften wurden gefördert. Bürgerbeteiligung bestand nicht nur in einem Mitspracherecht bei der Standortfrage, sondern auch in wirtschaftlicher Beteiligung; den lokalen Herausforderungen bzw. Belastungen durch die Energiewende standen damit auch Vorteile gegenüber, was den gesellschaftlichen Konsens förderte.
Gerhards et al. (2021) schreiben z. B. unter „16. Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Energiewende“ (Kurzfassung): „Es braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens und die Bereitschaft zu hohen Investitionen. Diese Voraussetzungen lassen sich einerseits mit Hilfe von Aufklärung, andererseits durch verstärkte wirtschaftliche Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen schaffen. Um alle gesellschaftlichen Gruppen zu beteiligen, sind geeignete Förder- und Finanzierungsinstrumente zu schaffen. … Die Energiewende ist ein entscheidender Baustein für den Klimaschutz und indirekt auch für den Erhalt der Artenvielfalt. Sie ist eine große gesellschaftliche Aufgabe und verlangt, alle gesellschaftlichen Akteur:innen einzubinden.“; zum Zusammenhang zwischen Akzeptanz und Partizipation in der Energiewende unter Einbeziehung auch finanzielle Anreize aus empirischer Sicht siehe z.B. link.springer.com/referenceworkentry/10.1007/978-3-658-37222-4_54-1#Sec3.
Gemeindekassen können durch Einnahmen aus dem Betrieb von Netz-, Speicher-, Solar- und Windkraftanlagen auf ihrem Gemeindegebiet langfristig entlastet werden. Bürgerbeteiligung kann mit garantierten Ausschüttungen verbunden werden.
Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) sind ein Energieversorgungsunternehmen mit Sitz in Schönau im Schwarzwald. In den 90er Jahren wurde über eine Spendenkampagne das Stromnetz im Einzugs- und Versorgungsgebiet zurückgekauft. Von diesem Zeitpunkt an wurden sowohl das Netz als auch Solar-, Windkraft- und Biogasanlagen durch eine Genossenschaft in Bürgerhand errichtet und betrieben. Mittlerweile bietet EWS Strom und Gas im gesamten Bundesgebiet an, ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern. ews-schoenau.de/ de.wikipedia.org/wiki/Elektrizitätswerke_Schönau
Die deutliche Erhöhung der Bepreisung von Treibhausgasemissionen in Verbindung mit einem Klimageld unterstützte die Umstellung. Hierdurch wurden fossile Energieträger bereits ab 2030 für viele Anwendungen zu teuer. Weiterhin half ein einfacher Zugang zu Krediten dabei, rasch viele Gebäude energetisch zu sanieren.