Fokussiert

Grundannahmen

Fokussiert

Text
Andreas Pfennig
Alexander Graf
Bernadette Menacher
Regine Rehaag
Paul C. Sommerhoff

Lektorat
Lea Musiolek
Isabel Schmittknecht

Review

Illustration

2040 – Wir haben schon viel erreicht

In den 2020ern war in Deutschland bereits absehbar, dass wir die Demokratie weiterentwickeln wollten, hin zu mehr partizipativem Engagement, etwa durch die Einführung von Bürger:innenräten. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Corona-Krise und dem russischen Angriff auf die Ukraine hat das Bewusstsein für Nachhaltigkeit gestärkt. In Deutschland haben neben vielen anderen Gruppierungen die Scientists for Future und Fridays for Future dazu beigetragen, dass ein entsprechender Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Dieser hat auf andere Länder ausgestrahlt, die an den positiven Entwicklungen teilhaben wollten und internationale Allianzen geschmiedet haben.
Nachhaltigkeit konnte erreicht werden, indem fokussiert einige wenige, aber sehr wirksame Veränderungen umgesetzt wurden:

  1. Durch das massive Vorantreiben der Energiewende konnte das Klima um 2050 auf 1,75 °C stabilisiert werden. Als Maßnahmen zur Rückholung von CO2 aus der Atmosphäre wurden die Aufforstung, die praktisch abgeschlossen ist, und erste BECCS-Anlagen auf den Weg gebracht (bio-energy with carbon capture and storage). Bis 2100 wird so die Klimaerwärmung auf 1,4 °C begrenzt. Ausreichend zur Verfügung stehende nachhaltig erzeugte Energie hat es ermöglicht, mit Maßnahmen wie Meerwasserentsalzung, Wassermanagement und entsprechenden Verteilsystemen das Problem der Wasserknappheit zu lösen.
  2. Durch eine vegane Ernährungswende, das heißt eine Umstellung auf pflanzliche Ernährung, konnten große Flächen freigestellt werden: fünfzehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Erzeugung von Bio-Energie und zehn Prozent als Blühstreifen und Brachflächen zur Sicherung der Biodiversität. Weitere Flächen stehen für Aufforstung und für die Erzeugung von Rohstoffen für eine bio-basierte Chemie zur Verfügung.
  3. Durch stärkere internationale Entwicklungszusammenarbeit konnte das Bevölkerungswachstum deutlich reduziert werden. Diese Kooperationen sind auch die Basis, um bei Klima-Notfällen international koordiniert reagieren zu können.

Das persönliche Leben hat sich nur minimal verändert, vorzugsweise dort, wo es nicht “weh tut” oder sogar Geld spart und insbesondere exzessiven Konsum vermeidet. Es hat kein grundlegender Wechsel des Wirtschaftssystems stattgefunden, sondern es wurden nur die 2020 bereits erkennbaren Entwicklungen verstärkt. 

Die Maßnahmen, die uns auf den Weg brachten

In den 2020ern erkannten die reicheren Länder, dass das stetige Anwachsen der Weltbevölkerung die irdischen Ressourcen zunehmend verknappt und die Lebensgrundlagen der Menschheit bedroht. Gelänge es nicht, das Bevölkerungswachstum zu stoppen, würden durch Klimawandel, Armut und Hunger immer mehr Menschen in ihren Heimatländern nicht mehr überleben können. Es könnte ein humanitärer Kipppunkt eintreten, bei dem die benötigten Hilfsmaßnahmen für Katastrophenregionen die verfügbaren finanziellen Mittel vornehmlich der reicheren Länder übersteigen würden. Durch die Verschlechterung der Lage vor Ort würde Migration deutlich zunehmen. Angesichts dessen begannen die Bürger:innen der reicheren Länder, sich eine Systemsicht auf ihr Land und den Planeten anzueignen und gemeinsam zu überlegen, wie sich diese Probleme ganzheitlich lösen ließen, anstatt sich nur auf den Klimawandel und seine Bekämpfung zu fokussieren. Diese Systemsicht führte zu der Einsicht, dass Vorbeugen, das heißt massive Unterstützung damals ärmerer Regionen bei ihrer Entwicklung, besser ist als ständige zunehmend teurere Nothilfemaßnahmen im Not- oder Katastrophenfall. So wurde der Tanaland-Effekt vermieden, das heißt, eine Verschlechterung der Gesamtsituation trotz intensiver Anstrengungen, um die Lage zu verbessern.Dörner, D., 1989: Die Logik des Mißlingens: Strategisches Denken in komplexen Situationen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg. https://www.rowohlt.de/buch/dietrich-doerner-die-logik-des-misslingens-9783644011618 Die Anstrengungen bei der Entwicklungszusammenarbeit mit damals ärmeren Regionen wurden entsprechend stark erhöht. 

Die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit wurde in Deutschland dadurch angestoßen, dass mehr Partizipationsmöglichkeiten in der Demokratie etabliert wurden. So erlaubten insbesondere Bürger:innenräte und Bürger:innendialoge den Menschen mehr politische Teilhabe, aber auch mehr Verantwortung.Hagedorn, G., et al., 2020: Scientists for Future empfiehlt eine repräsentative Klima-Bürger:innenversammlung im Jahr 2021. https://zenodo.org/record/4311486 Bürgerrat Klima, 2021: Die Ergebnisse. https://buergerrat-klima.de/die-ergebnisse Der Trend hin zu aktiverer Beteiligung der Bürger:innen an gesellschaftlichen Prozessen zur Entscheidungsfindung war bereits zu Beginn der 2020er Jahre deutlich erkennbar. Fridays For Future und diverse weitere For-Future-Initiativen zeigten, dass das Bestreben nach mehr Nachhaltigkeit von vielen Bürger:innen getragen wurde. Gleichzeitig begannen sich  Initiativen zu vernetzen, die partizipative Prozesse voranbringen wollten.participedia, 2021: https://participedia.net/ (zugegriffen 12.12.2021) Diese Entwicklung ermöglichte, dass sich die engagierten Bürger:innen auch mit komplexeren Zusammenhängen auseinandersetzen und so eine Systemsicht entwickeln konnten.

Der politischen Beteiligung kommt eine zentrale Rolle zu bei der Veränderung hin zum Zukunftsbild Fokussiert. Bürger:innenräte und Bürger:innendialoge haben das Potenzial komplexere Zusammenhänge zu vermitteln und die nötige Systemsicht zu entwickeln.Hagedorn, G., et al., 2020: Scientists for Future empfiehlt eine repräsentative Klima-Bürger:innenversammlung im Jahr 2021. https://zenodo.org/record/4311486 Bürgerrat Klima, 2021: Die Ergebnisse. https://buergerrat-klima.de/die-ergebnisse Wertefragen, die beantwortet werden müssen, betreffen den Ausgleich zwischen tierbasierter Ernährung, nachhaltiger Landwirtschaft, Erreichen der Klimaziele, Kosten für die zukünftige Entwicklung, Verantwortung der reichen Länder gegenüber den ärmeren und den Hunger in der Welt. Solche Wertefragen müssen in einer Demokratie im gesellschaftlichen Diskurs unter Ausgleich der unterschiedlichen Interessen beantwortet werden. Nur so bleibt auch in der parlamentarischen, das heißt repräsentativen Demokratie die Bürgerschaft der Souverän. Außerdem ist abzusehen, dass der Umbau beispielsweise der Landwirtschaft sowie die zunehmenden Kosten für CO2-Emissionen durch entsprechende staatliche Unterstützung und Förderung begleitet werden müssen. Wie dies finanziert wird, muss im gesellschaftlichen Ausgleich abgestimmt werden, denn nur dann haben die Regelungen eine Chance, die nächsten Wahlen zu überstehen. Medien und Kommunikation beispielsweise in sozialen Medien können dies nicht leisten.

Aufbauend auf dieser Systemsicht und durch die aktive Bürgerbeteiligung wurde die Basis geschaffen für die wesentlichen Maßnahmen, die Deutschland und die Welt auf einen Pfad brachten, bei dem ausreichend schnell Nachhaltigkeit erreicht werden kann. Es wurden die Maßnahmen zur Energiewende beschleunigt, Entwicklungszusammenarbeit intensiviert und die vegane Ernährungswende angestoßen. So gelang es, für alle Menschen ein gesundes Leben zu ermöglichen, bei dem sie ihre persönlichen Lebensmöglichkeiten voll entfalten können.Sen, A., 1999: Commodities and Capabilities. Oxford University Press,New Delhi.

Durch die COVID-19-Pandemie und den Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich die globale Situation deutlich verschärft. Hunger und Armut nehmen schnell zu. Wie unter “Wissenschaftlicher Hintergrund” beschrieben gibt es einen Zusammenhang zwischen Armut und Geburtenrate. Daher können die aktuellen Entwicklungen dazu führen, dass in den betroffenen Regionen die Geburtenrate steigt, die Menschen von der Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit weiter abgekoppelt werden und in der Folge die Zahl der Klima-, Kriegs- und Armutsflüchtlinge deutlich zunehmen wird. Gleichzeitig treten die globalen Zusammenhänge deutlicher als früher zutage und sind präsenter in den deutschen Medien. Es wird klar, wie komplex die Wirtschaft unterschiedlicher Länder miteinander vernetzt ist und wie groß die Abhängigkeiten zwischen ihnen sind. In Deutschland wird nun einerseits versucht, diese Situation zum Anlass zu nehmen, Nachhaltigkeit zu fördern. Beispielsweise sollen die erneuerbaren Energien deutlich schneller als vor den Krisen ausgebaut werden. Andererseits wird aber auch deutlich, wie sehr die Freiheit der politischen Entscheidungen durch internationale Abhängigkeiten beschränkt wird. In diesen schwierigen Zeiten, in denen zur Klimakrise die durch Pandemie und Krieg ausgelösten Krisen hinzukommen, ist es entscheidend, diese Einsicht in die globalen Zusammenhänge für den Aufbruch hin zur Nachhaltigkeit zu nutzen.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die Grundlage für das Zukunftsbild Fokussiert ist eine bilanzbasierte Untersuchung von Szenarien. In den Bilanzen werden beispielsweise Weltbevölkerung, landwirtschaftliche Nutzfläche, Nahrungsmittelproduktion, Klimaerwärmung und Primärenergiekonsum miteinander in Beziehung gesetzt.

Grundlage für das Zukunftsbild Fokussiert sind Szenarioanalysen, bei denen die zukünftige globale Entwicklung untersucht wurde.Pfennig, A., 2019: Sustainable Bio‐ or CO2 Economy: Chances, Risks, and Systems Perspective. ChemBioEng Reviews 6(3), 90-104, https://www.doi.org/10.1002/cben.201900006 Pfennig 2021: BASE, Balance Assisted Scenario Explorer – Balance-Based World Scenarios.  https://hdl.handle.net/2268/292941
Aus dieser Analyse ergeben sich einige wenige Maßnahmen, die unabdingbar sind, wenn Nachhaltigkeit erreicht werden soll. Auf diese wenigen Maßnahmen fokussiert sich dieses Zukunftsbild. Aus der globalen Perspektive werden für das Zukunftsbild diejenigen Maßnahmen abgeleitet, die in Deutschland ergriffen werden müssen. Die Grundlagen und Konsequenzen der Szenarienanalyse werden im Folgenden kurz dargestellt. Um die Szenarien zu untersuchen, wurde ein Szenarienexplorer entwickelt, in dem neben Bevölkerung unter anderem auch Energie, Landfläche, Ernährung und Beschaffung von kohlenstoffbasierten Rohstoffen, die zur Herstellung beispielsweise von Kunststoffen benötigt werden, berücksichtigt sind.Pfennig 2021: BASE, Balance Assisted Scenario Explorer – Balance-Based World Scenarios.  https://hdl.handle.net/2268/292941 Dieser Szenarienexplorer ist frei zugänglich.Pfennig 2021: BASE, Balance Assisted Scenario Explorer – Balance-Based World Scenarios.  https://hdl.handle.net/2268/292941

2040 leben 9,5 Milliarden Menschen auf dieser Erde – das sind 250 Millionen Menschen mehr als 2021 nach den Szenarien des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, Weltklimarat) selbst für den ‚Worst Case‘ angenommen wurde. 

Die Weltbevölkerung ist eine zentrale Größe bei Szenarien, mit denen die zukünftige Entwicklung beschrieben wird. Wie viele Ressourcen die Menschheit benötigt und wie viele Abfallstoffe erzeugt werden, wird ganz wesentlich davon bestimmt, wie viele Menschen auf dem Planeten leben. Eine Analyse der Vorhersagen zur Weltbevölkerung zeigt, dass die Unsicherheit dabei sehr groß ist. Die Szenarien der UN sagen für 2040 Werte zwischen 8,7 und 9,7 Milliarden Menschen voraus.UN, 2019: UN Department of Economic and Social Affairs, World Population Prospect, 2019 Revision. https://population.un.org/wpp/ Die mittlere Variante dieser Vorhersagen ist dabei die, von der viele Studien für ihre Untersuchungen ausgehen. Bemerkenswert dabei ist, dass die UN ihre Vorhersagen in den letzten zwei Jahrzehnten stets nach oben korrigiert hat, wie Bild 1 anhand der Vorhersagen für das Jahr 2050 zeigt (siehe auch Pfennig, A., 2019: Sustainable Bio‐ or CO2 Economy: Chances, Risks, and Systems Perspective. ChemBioEng Reviews 6(3), 90-104, https://www.doi.org/10.1002/cben.201900006). Daher ist nicht davon auszugehen, dass ohne wesentliche Veränderungen die reale Entwicklung deutlich unterhalb der mittleren Variante der aktuellen Vorhersage verlaufen wird. Die Szenarien für die IPCC-Reports gehen dagegen von einem deutlich niedrigeren Bevölkerungswachstum aus. Vier dieser fünf Shared Socio-Economic Pathways (SSPs, gemeinsame sozio-ökonomische Pfade), die Grundlage für die Berichte des IPCC sind, liegen am unteren Ende des von der UN vorhergesagten Bereichs oder sogar darunter, wie in Bild 2 dargestellt. Lediglich das Worst-Case-Szenario zeigt eine Entwicklung innerhalb des hier erwarteten Bereichs. Dieses Szenario muss also vorrangig berücksichtigt werden, wenn die Zukunft auch dann gemeistert werden soll, wenn die Entwicklung schlechter verläuft als in optimistischeren Szenarien erwartet. Die Zukunft ist grundlegend nicht vorhersagbar, wie spontane Entwicklungen wie Fridays for Future oder die COVID-19-Pandemie zeigen, so dass als solide Basis für die Politikberatung auch ungünstigere aber realistisch mögliche Szenarien mitberücksichtigt werden müssen. Dies entspricht auch dem Vorsorgeprinzip, nach dem Maßnahmen so gewählt werden müssen, dass mit ihnen auch bei ungünstigeren Entwicklungen, die nicht ausgeschlossen werden können, die Ziele noch erreicht werden. Dieses Vorsorgeprinzip ist als Grundlage für die Umweltpolitik in Deutschland und in der EU gesetzlich verankert. Selbst die Vorhersagen der SSPs wurden allerdings inzwischen nach oben korrigiert, wie in Bild 1 zu erkennen ist. Diese neueste Version der SSPs ist allerdings im Sechsten Sachstandsbericht des IPCC noch nicht berücksichtigt (IPCC 2021). Die Szenarien des aktuellen IPCC-Sachstandsberichts sind also bereits veraltet.

Die Geburtenrate geht durch die internationalen Anstrengungen zur wirksamen Armutsbekämpfung in vielen Ländern in den 2020ern bereits deutlich zurück, allerdings macht sich dies noch nicht nennenswert bei der Gesamtbevölkerung bemerkbar. Die aktuellen Prognosen gehen von einer Stabilisierung der Weltbevölkerung bis 2070 aus.

Nachhaltigkeit menschlichen Handelns kann überhaupt nur dann erreicht werden, wenn es gelingt, das immer weitere Anwachsen der Weltbevölkerung zu stoppen. Bei einem Wachstum der Weltbevölkerung entsprechend der hohen UN-Variante werden die planetaren Grenzen früher oder später stets überschritten. Daher wird beim Zukunftsbild Fokussiert davon ausgegangen, dass die internationalen Anstrengungen zum Erreichen des ersten Sustainable Development Goals (SDGs, Ziele nachhaltiger Entwicklung), bis 2030 die Armut weltweit zu besiegen, wesentlich intensiviert werden.UN, 2021: Sustainable Development Goals. https://www.un.org/sustainabledevelopment/  Liegt das Bruttoinlandsprodukt in einem Land über etwa 6 000 US-$ pro Kopf, so liegt die Geburtenrate dieses Landes in einem Bereich, in dem die Bevölkerungszahl nicht mehr ansteigt.FAO, 2021: FAOSTAT. http://www.fao.org/faostat/en/#data/,  macro indicators UN, 2019: UN Department of Economic and Social Affairs, World Population Prospect, 2019 Revision. https://population.un.org/wpp/ Durch die massive Unterstützung bei der Armutsbekämpfung wird also indirekt auch bewirkt, dass die Geburtenrate in den heute ärmeren Regionen zurückgeht. Im Zukunftsbild Fokussiert wird davon ausgegangen, dass so bis etwa 2070 das weitere Anwachsen der Weltbevölkerung gestoppt wird.

Der Primärenergiekonsum pro Kopf ist im weltweiten Durchschnitt leicht angestiegen, von 21 500 kWh pro Kopf und Jahr in 2020 auf etwa 23 500 kWh pro Kopf und Jahr in 2040 (nach der Substitutionsmethode berechnet: Siehe auch Infobox Energie). In den reicheren Ländern konnte durch die 2020 angestoßenen Maßnahmen der Pro-Kopf-Energiekonsum weiter gesenkt werden, während dieser in früher ärmeren Regionen deutlich anstieg, so wie es der zunehmenden Entwicklung entspricht. Nach aktuellen Schätzungen wird im globalen Mittel etwa 2070 der Wert von etwa 27 400 kWh pro Kopf und Jahr erreicht, der allen Menschen ein gutes Leben ermöglichen wird. In polnäheren Ländern liegt der Primärenergiekonsum dabei höher als in äquatornäheren. Trotz aller Anstrengungen bei der globalen Energiewende werden noch rund 40 % der Primärenergie fossil gedeckt. Durch die Beschleunigung der Energiewende werden jedes Jahr aber weitere etwa 2,5 % des globalen Primärenergiekonsums durch erneuerbare Ressourcen ersetzt, so dass die Energiewende weltweit spätestens 2055, in Deutschland schon 2045 abgeschlossen sein wird.

Die Szenarioanalyse zeigt, dass zur Stabilisierung des Klimas die Energiewende intensiv vorangebracht werden muss.Pfennig, A., 2019: Sustainable Bio‐ or CO2 Economy: Chances, Risks, and Systems Perspective. ChemBioEng Reviews 6(3), 90-104, https://www.doi.org/10.1002/cben.201900006 Da die Entwicklung in ärmeren Regionen massiv unterstützt werden soll, um das Bevölkerungswachstum zu stoppen, wird dort der Energiekonsum pro Kopf steigen. Es wird beim Zukunftsbild Fokussiert davon ausgegangen, dass er bis 2070 ein Niveau von 27 400 kWh pro Kopf und Jahr erreicht, ein Wert, der ein gutes Leben in einem entwickelten Gemeinwesen sicherstellen kann.Arto, I. , I. Capellán-Pérez, R. Lago, G. Bueno, R. Bermejo, 2016: The energy requirements of a developed world. Energy Sustainable Dev. 33, 1-13. https://doi.org/10.1016/j.esd.2016.04.001 

Viele in der Literatur gezeigte Szenarien gehen bei der Energiewende von einer sprunghaften Beschleunigung auf eine lineare Abnahme des CO2-Ausstoßes bei Einhaltung des verfügbaren CO2-Budgets aus (zum Beispiel für die deutsche Energiewende, siehe Mehr Demokratie e.V., BürgerBegehren Klimaschutz e.V., (Hrsg.), 2020: Handbuch Klimaschutz. Wie Deutschland das 1,5-Grad-Ziel einhalten kann: Basiswissen, Fakten, Maßnahmen. Oekom-Verlag. ISBN: 978-3-96238-237-7 https://www.oekom.de/buch/handbuch-klimaschutz-9783962382377 ). Manche berücksichtigen eine zunächst sogar noch schnellere Abnahme, die dann erst langsamer wird, wenn die letzten Prozent fossiler Energienutzung erneuerbar substituiert werden müssen. Beides ist unrealistisch. Beim Zukunftsbild Fokussiert wird von einem realistischen Verlauf der Energiewende ausgegangen. Es wird zunächst mit der heutigen, langsamen Geschwindigkeit begonnen. In den folgenden Jahren wird die Energiewende dann zunehmend beschleunigt umgesetzt. 

Die Energiewende kann umso schneller erreicht werden, je stärker in reicheren Ländern der Energiekonsum reduziert wird. So muss weniger Primärenergie erneuerbar bereitgestellt werden. Allerdings ist auch offensichtlich, dass nach der Energiewende, wenn also der gesamte Energiebedarf nachhaltig und insbesondere ohne Emission von Kohlendioxid gedeckt wird, auch ein höherer Energiekonsum praktisch nicht mehr zur Klimaerwärmung beiträgt. Daher sollten zunächst Exzesse beim Energiekonsum vermieden werden. Eine weitere Reduzierung kann durch systematisches Umsetzen technologischen Fortschritts und Anwendung bereits existierender Energiesparmöglichkeiten erreicht werden. Beim Zukunftsbild Fokussiert wird davon ausgegangen, dass eine zügige Erhöhung der Abgaben für CO2-Emissionen für eine ausreichende Beschleunigung der Energiewende in entwickelten Ländern und für die nötigen Einsparungen beim Energiekonsum sorgt. Diese Erhöhung der CO2-Abgaben muss dabei international koordiniert erfolgen, um Carbon-Leakage zu verhindern, das heißt das Abwandern von CO2-emittierenden Firmen in Länder mit geringeren Emissionskosten. Beim Zukunftsbild Fokussiert wird davon ausgegangen, dass sich der globale Energiebedarf 2070 stabilisiert. Die Energiewende wird global bis 2055 abgeschlossen sein. Deutschland setzt sich ehrgeizigere Ziele, und wird ab 2045 auf fossile Rohstoffe verzichten. Durch diese Vorreiterrolle haben deutsche Firmen die Chance, ihr Nachhaltigkeits-Know-How weltweit zu vermarkten.

Der Energiekonsum in reichen Ländern wird fokussiert in den Bereichen reduziert, in denen dies aufgrund der Bepreisung der CO2-Emissionen auch wesentlich Geld spart. Energie wird daher bevorzugt dort gespart, wo mit einfachen Mitteln und ohne wesentliche Änderungen des Lebensstils große Einsparungen möglich sind.Ivanova, D., Barrett, J., Wiedenhofer, D., Macura, B., Callaghan, M., Creutzig, F. (2020). Quantifying the potential for climate change mitigation of consumption options. Environ. Res. Lett. 15 (2020) 093001, https://doi.org/10.1088/1748-9326/ab8589 In dieser Studie werden auch Maßnahmen mit aufgeführt, die der Energiewende zuzurechnen sind, die also keine eigentlichen Sparmaßnahmen darstellen und die daher hier nicht berücksichtigt sind. So soll bis 2040 etwa 20% des Primärenergiekonsums pro Kopf eingespart werden durch:

  • Reduzierung von Flugreisen, 
  • verstärkte Nutzung des ÖPNV oder des Fahrrades,
  • Wärmedämmung von Gebäuden,
  • vegane Ernährung, 
  • weniger Haustiere,
  • mehr digitale statt persönlicher Treffen,
  • sparsamere PKW.

Ein Beitrag zum Energiesparen rührt auch aus einem im Zuge der COVID-19-Pandemie zu beobachtenden Überdenken des Konsumverhaltens insbesondere bei jüngeren Menschen her. Es wird im Zukunftsbild Fokussiert davon ausgegangen, dass dieser Trend zwar weiter anhält und gesellschaftlich akzeptiert wird, aber nur von einem kleinen Teil der Gesellschaft gelebt wird. 

Diese Fokussierung auf wesentliche Energiesparmaßnahmen hat einen weiteren positiven Effekt. Üblicherweise treten bei Sparmaßnahmen Rebound-Effekte auf. Wer sich beispielsweise ein Auto mit sparsamerem Motor gekauft hat, unternimmt dafür öfter einmal eine Spritztour am Wochenende. Weil das Auto ja so sparsam ist, meint man sich das leisten zu können. Ein weiterer Effekt ist der sogenannte Lizensierungs-Effekt, der einen moralischen Rebound-Effekt darstellt. Dabei wird ein geringer Beitrag zur Klimarettung als moralische Rechtfertigung für eine größere Klimasünde genutzt. Beispielsweise wird der wiederverwendbare Becher für den Coffee-to-go als moralische Rechtfertigung für die Wochenend-Spritztour verwendet. Genau solche Rechtfertigungen können nicht mehr verwendet werden, wenn der Fokus überhaupt nur auf die großen Energiesparmaßnahmen gelegt wird.

Die globale Erwärmung hatte 2021 +1,2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau erreicht. Bereits bei dieser Erwärmung war das Erdsystem instabil, das heißt die Eismassen auf Grönland und der Westantarktis schmolzen und der Permafrostboden taute in großen Gebieten. Bis 2040 ist die Erwärmung weiter auf +1,6 °C angestiegen. Um das Erdsystem zu stabilisieren, muss also Kohlendioxid aktiv aus der Atmosphäre entfernt werden. 

Zur langfristigen Stabilisierung des Klimas müssen mit Hilfe von sogenannten negativen Emissionen, das heißt der aktiven Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre, die akkumulierten anthropogenen Netto-CO2-Emissionen seit der industriellen Revolution auf 1 200 Gigatonnen (Gt) CO2 reduziert werden.Hansen, J., Sato, M., Kharecha, P., Beerling, D., Berner, R., Masson-Delmotte, V., Pagani, M., Raymo, M., Royer, D.L., Zachos, J.C. (2008) Target Atmospheric CO2: Where Should Humanity Aim? The Open Atmospheric Science Journal, 2, 217-231. http://dx.doi.org/10.2174/1874282300802010217  Das entspricht einer CO2-Konzentration von etwa 350 ppm CO2 in der Atmosphäre. Bis 2020 hatte die Menschheit bereits 2 300 Gt CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen. Aus der Szenarien-Analyse ergibt sich, dass global bis 2040 noch etwa 750 Gt CO2 dazukommen, bis zum vollständigen Verzicht auf fossile kohlenstoffhaltige Rohstoffe sogar 900 Gt CO2.Pfennig, A. (2022). BASE, Balance Assisted Scenario Explorer—Balance-Based World Scenarios. https://orbi.uliege.be/handle/2268/292941 Danach, das heißt ab etwa 2040, müssen Technologien für negative Emissionen in großem Umfang etabliert werden, um bis 2100 – eigentlich möglichst schnell – wieder unter +1,5 °C zu kommen. Bereits heute – bei etwa 1,2 °C Erderwärmung – erleben wir dramatische Extremwetterereignisse mit Flutkatastrophen und verheerenden Waldbränden. Zudem sind manche Kipp-Punkte des Klimas überschritten: beschleunigt schmelzendes Grönlandeis, Instabilität borealer Wälder, beschleunigt schmelzender Westantarktischer Eisschild, Instabilität des Permafrosts in Sibirien, dadurch womöglich Auslösung von Kipp-Kaskaden (für eine Übersicht siehe Spratt, D., Dunlop, I., Lauterbach, W., & Pfennig, A. (2020). What Lies Beneath / Was sich darunter verbirgt. https://orbi.uliege.be/handle/2268/249900). Daher müssen die negativen Emissionen bis nach 2100 fortgeführt werden, um – nach heutigem Maßstab – auf deutlich unter 1 °C Klimaerwärmung herunterzukommen. Erst dann ist das Klima langfristig stabilisiert. Um dies zu erreichen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten.Minx, J.C., W.F. Lamb, M.W. Callaghan, S. Fuss, J. Hilaire, F. Creutzig, T. Amann, T. Beringer, W. de Oliveira Garcia, J. Hartmann, T. Khanna, D. Lenzi, G. Luderer, G.F. Nemet, J. Rogelj, P. Smith, J.L. Vicente Vicente, J. Wilcox, M. del Mar Zamora Dominguez, 2018: Negative emissions – Part 1: Research landscape and synthesis. Environ. Res. Lett. 13, 063001. https://doi.org/10.1088/1748-9326/aabf9b  Neben Aufforstung und BECCS können auch andere Optionen zur Abtrennung von CO2 aus der Atmosphäre berücksichtigt werden.IPCC, 2021: Sixths Assessment Report, https://www.ipcc.ch/assessment-report/ar6/  Beispiele sind Biokohle und DACCS (direct air carbon capture and storage). Biokohle wird durch eine hydrothermale Karbonisierung erzeugt, bei der Biomasse in Anwesenheit von Wasser auf hohe Temperatur gebracht wird. Der dabei entstehende kohleartige Feststoff wird in Ackerböden eingearbeitet und so der Kohlenstoff langfristig aus der Atmosphäre abgetrennt und im Boden gespeichert. Biokohle bedingt allerdings eine dunklere Farbe des Bodens und erhöht damit die Erderwärmung.Meyer, S., Bright, R.M., Fischer, D., Schulz, H., Glaser, B.Meyer (2012). Albedo Impact on the Suitability of Biochar Systems To Mitigate Global Warming. Environ. Sci. Technol. 46, 12726-12734. https://doi.org/10.1021/es302302g   Smith, P. (2016). Soil carbon sequestration and biochar as negative emission technologies. Global Change Biology 22, 1315–1324, https://doi.org/10.1111/gcb.13178 Zudem wird diskutiert, ob Kohlestaub-Aerosole, die Sonnenlicht zusätzlich absorbieren, das Klima weiter belasten.Genesio, L., Vaccari, F.P., Miglietta, F. (2016). Black carbon aerosol from biochar threats its negative emission potential. Global Change Biology 22, 2313–2314, doi: 10.1111/gcb.13254  DACCS und konsequenterweise die Etablierung einer CO2-Ökonomie würden zu einem erheblichen Mehrbedarf an Energie führen, wodurch die Energiewende deutlich verzögert würde. Zudem würde dies sehr hohe zusätzliche Kosten mit sich bringen.Keith, D.W., G. Holmes, D. St. Angelo, K. Heidel (2018). A Process for Capturing CO2 from the Atmosphere. Joule 2(8), 1573-1594. https://doi.org/10.1016/j.joule.2018.05.006 Zur Verdeutlichung der Mehrkosten ergeben Szenarien von PfennigPfennig 2021: BASE, Balance Assisted Scenario Explorer – Balance-Based World Scenarios.  https://hdl.handle.net/2268/292941 einen Finanzierungsbedarf von etwa 6 000 € pro Jahr und pro Person in entwickelten Ländern. Dies zeigt, dass trotz des Potenzials verschiedener Optionen für negative Emissionen zukünftige Forschung noch zeigen muss, welche davon überhaupt sinnvoll genutzt werden können. Beim Zukunftsbild Fokussiert werden biobasierte Methoden berücksichtigt, weil sie preiswerter sind und weniger Energie benötigen. Außerdem handelt es sich dabei um Technologien, die bereits heute verfügbar sind. Entsprechend des Vorsorgeprinzips wird im Zukunftsbild Fokussiert auf den Einsatz von Technologien verzichtet, die erst durch wesentlichen Fortschritt in der Forschung realisierbar würden.

Hierzu wurden 2040 bereits erste Maßnahmen umgesetzt. Genutzt werden insbesondere zunächst vergleichsweise preiswerte Maßnahmen wie naturnahe Aufforstung und systematische Humusbildung in der Landwirtschaft. 2040 werden auch erste Anlagen zu BECCS (bioenergy with carbon capture and storage) betrieben, das heißt die energetische Nutzung von Biomasse, wobei aus dem Abgas der Verbrennung das CO2 abgetrennt und in unterirdische Lagerstätten eingepresst wird. Erst nachdem der energetische Mehraufwand für mehr Recycling erneuerbar gedeckt werden kann, werden Anstrengungen intensiviert, um weitere Stoffkreisläufe zu schließen, indem beispielsweise Recyclingquoten global immer weiter erhöht werden. Die Stoffkreisläufe sollen bis 2100 praktisch vollständig geschlossen werden.

Durch mehrere beim Zukunftsbild Fokussiert berücksichtigte Maßnahmen wird mehr Landfläche benötigt für:

  • eine nachhaltige Landwirtschaft, das heißt Ökolandbau, Blühstreifen zwischen Feldern, Brachflächen, Vernässung von trockengelegten Mooren
  • ausreichende Ernährung für alle Menschen, um den Hunger zu besiegen 
  • die biobasierte Rohstoffgewinnung für die chemische Industrie 
  • mehr Einsatz von Holz in einer nachhaltigen Bauwirtschaft sowie
  • Aufforstung und BECCS, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen.

Dieser Mehrbedarf an fruchtbarer Landfläche steht nur durch eine vegane Ernährungswende zur Verfügung. Dadurch, dass wir durch vegane Ernährung fruchtbare Flächen wie Weiden und einen Teil der Fläche für die Futtermittelproduktion nicht mehr zur Erzeugung der Nahrungsmittel benötigen, schaffen wir uns den Freiraum, den wir zur Umsetzung von Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit benötigen, die oftmals biobasiert preiswerter und mit heutigen Technologien realisierbar sind. Die vegane Ernährung bringt zudem gesundheitliche Vorteile mit sich (siehe Ernährung). Die Umsetzung der Ernährungswende wird unterstützt durch Maßnahmen in den Bereichen der Bildung und des Gesundheitssystems (siehe. Bildungssystem und Gesundheitssystem & Sport).

Fruchtbare Landfläche war bereits 2021 knapp. Daher lohnte es sich, den Regenwald im Amazonasgebiet abzuholzen, um dort Futtermittel anzubauen oder Weideflächen anzulegen. Gleichzeitig hungerte 2021 etwa jeder zehnte Mensch, wie Bild 3 zeigt. Allein die Betrachtung der bisherigen Entwicklung und des Ziels, dass entsprechend der SDGs bis 2030 der Hunger vollständig besiegt sein soll, veranschaulicht, dass nur schrittweise Veränderungen und ansonsten ein Weiter-so-wie-bisher nicht ausreichen werden, um den Hunger in der Welt zu besiegen. Was dagegen nötig ist, ist ein grundlegender Wechsel des Ernährungssystems. Da Landfläche ein knappes Gut ist, dessen Verfügbarkeit über den Hunger in der Welt entscheidet – aber auch über die einfache Erreichbarkeit von Nachhaltigkeitszielen – ist es geboten, auf die verschwenderische Nutzung der Landfläche durch die Produktion tierbasierter Nahrungsmittel zu verzichten, bei der 80 % der für die Nahrungsmittelerzeugung genutzten Fläche verwendet werden, um lediglich 18 % der Kalorien für die menschliche Ernährung zu liefern.FAO, 2021: FAOSTAT. http://www.fao.org/faostat/en/#data/,  macro indicators Daher wird im Zukunftsbild Fokussiert die vegane Ernährungswende als ein zentrales Element angesehen. Nur durch diese Umstellung gelingt es, ausreichend Landfläche umzunutzen, so dass die Menschheit überhaupt die Chance hat, den Abstand zu den planetaren Grenzen zu vergrößern und gleichzeitig alle Menschen gut zu ernähren. Dadurch werden auch die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft wesentlich reduziert und planetare Grenzen können eingehalten werden.Aleksandrowicz 2016: Aleksandrowicz, L., Green, R., Joy, E. J., Smith, P., & Haines, A., 2016: The impacts of dietary change on greenhouse gas emissions, land use, water use, and health: a systematic review. PLOS ONE, 11(11), e0165797. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0165797 Chai 2019: Chai, B. C., van der Voort, J. R., Grofelnik, K., Eliasdottir, H. G., Klöss, I., & Perez-Cueto, F. J., 2019: Which diet has the least environmental impact on our planet? A systematic review of vegan, vegetarian and omnivorous diets. Sustainability, 11(15), 4110. https://doi.org/10.3390/su11154110  Gerten 2020: Gerten D., V. Heck,  J. Jägermeyr, B L. Bodirsky, I. Fetzer, M. Jalava, M. Kummu, W. Lucht, J. Rockström, S. Schaphoff, H.J. Schellnhuber, 2020: Feeding ten billion people is possible within four terrestrial planetary boundaries. Nature Sustainability 200(3), 200–208, https://doi.org/10.1038/s41893-019-0465-1  Aus den Szenarioanalysen ergibt sich auch, dass die vegane Ernährungswende auf die Stabilisierung des Klimas einen deutlich größeren Einfluss hat als das Energiesparen in entwickelten Ländern. Das liegt einerseits daran, dass 2021 Nicht-OECD-Länder fast doppelt so viel CO2 erzeugen wie die entwickelten OECD-Länder.BP (2020). Statistical Review of World Energy June 2019. bp-stats-review-2019-all-data.xlsx, https://www.bp.com/en/global/corporate/energy-economics/statistical-review-of-world-energy.html (zugegriffen 21.03.2020) Dieses Verhältnis wird sich weiter erhöhen, da sich entwickelnde Länder wie beschrieben ihren aktuellen mittleren Pro-Kopf-Primärenergiekonsum ausgehend vom aktuellen Wert von etwa 15 500 kWh pro Kopf und Jahr bei zunehmender Entwicklung bis auf 27 400 kWh pro Kopf und Jahr steigern werden. Da in Nicht-OECD-Ländern heute etwa 5-mal mehr Menschen leben als in OECD-Ländern, Tendenz steigend, wird bei zunehmendem Energiekonsum in sich entwickelnden Ländern auch der Beitrag zum globalen Primärenergiekonsum sich diesem Verhältnis zunehmend annähern. Entsprechend kleiner ist der Einfluss, den Energiesparen in entwickelten Ländern auf das erreichte Klimaziel hat. Andererseits liegt der große Einfluss der veganen Ernährungswende daran, dass ihr Einfluss auf die für BECCS zur Verfügung stehende Fläche erheblich ist. Diese Fläche wird es für etwa ein Jahrhundert ermöglichen, jedes Jahr große Mengen von CO2 biobasiert aus der Atmosphäre zu entfernen. Eine Fokussierung beim Energiesparen in entwickelten Ländern auf wesentliche Einsparungen führt also zu einer relativ kleinen zusätzlichen Erhöhung der Klimaerwärmung, während die vegane Ernährungswende erlaubt, frei werdende Fläche über viele Jahrzehnte beispielsweise für BECCS zu nutzen.

Darüber hinaus wurden beim Zukunftsbild Fokussiert im Wesentlichen die Trends fortgeschrieben, die zu Beginn der 2020er Jahre bereits erkennbar und auf den Weg gebracht worden waren. Dazu sind viele Ideen möglich, aber nicht zwingend nötig, die eine Entwicklung auch insgesamt zu mehr Nachhaltigkeit befördern. Insbesondere ist die grundlegende Struktur von Gesellschaft und Wirtschaftssystem unverändert, auch wenn manche Weiterentwicklungen zu Beginn der 2020er Jahre bereits absehbar und insbesondere nach der Corona-Pandemie nötig waren, beispielsweise um Lasten innerhalb der Gesellschaft gerecht zu verteilen. Zwar wird beim Zukunftsbild ‘Fokussiert’ die vegane Ernährungswende vorausgesetzt, deren Umsetzung eine große gesellschaftliche Herausforderung sein wird. Dadurch werden aber auf der anderen Seite in Bezug auf Konsum und Lebensstil keine großen Veränderungen nötig. Insgesamt geht Deutschland bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen wie Energiewende, veganer Ernährungswende und Entwicklungszusammenarbeit im internationalen Vergleich etwas schneller voran.

Ein Kernpunkt beim Zukunftsbild Fokussiert ist, dass das grundlegende Wirtschafts- und Gesellschaftssystem in Deutschland während der nächsten Jahrzehnte im Wesentlichen unverändert bleibt. Dies trägt auch der Tatsache Rechnung, dass alle Maßnahmen zur Energiewende und für die Entwicklungszusammenarbeit ja von der Gesellschaft geschultert werden müssen. Gerade die COVID-19-Pandemie, die große Staatsschulden hinterlässt, und die zunehmenden durch den Klimawandel hervorgerufenen SchädenWMO, 2021: World Meteorological Organization: WMO Atlas of Mortality and Economic Losses from Weather, Climate and Water Extremes (1970–2019). https://library.wmo.int/index.php?lvl=notice_display&id=21930  reduzieren die verfügbaren finanziellen Spielräume. Wenn also die Maßnahmen, eine nachhaltige Gesellschaft zu etablieren, trotz dieser geringen Spielräume finanziert werden sollen, können wir uns keine zusätzlichen Unsicherheiten leisten, die mit einem Umbau von Ökonomie und Gesellschaft verbunden sind. Gleichzeitig werden sich Gesellschaft und Wirtschaftssystem aber weiterentwickeln, jüngste Entwicklungen sind beispielsweise das Lieferkettengesetz und die ersten Bürger:innenräte auf nationaler Ebene. Genauso ist zu erwarten, dass sich die Lebenssituation in heute ärmeren Ländern durch die intensive Entwicklungszusammenarbeit zunehmend verbessern wird, so dass die Menschen in diesen Ländern immer mehr Rechte und bessere Arbeitsbedingungen einfordern werden. Die Gesellschaft wird sich also weiterentwickeln, es wird aber nicht zuerst ein radikaler Umbau von Gesellschaft und Wirtschaftssystem nötig sein, bevor Nachhaltigkeit erreicht werden kann, wie es manchmal gefordert wird. Wir brauchen also beispielsweise keine grundlegende Umstellung auf Gemeinwohlökonomie oder einen grundlegenden Konsumverzicht entsprechend der Degrowth-Bewegung.Paech, N., 2012: Befreiung vom Überfluss. Oekom Verlag, München. ISBN: 978-3-86581-181-3 https://www.oekom.de/buch/befreiung-vom-ueberfluss-9783865811813  Felber, Ch., 2018: Gemeinwohl-Ökonomie. Piper Verlag, München. https://www.piper.de/buecher/gemeinwohl-oekonomie-isbn-978-3-492-31236-3  KNÖ, 2021: https://konzeptwerk-neue-oekonomie.org/ 

Als längerfristige Perspektive wird im Zukunftsbild Fokussiert davon ausgegangen, dass die Energiewende und die vegane Ernährungswende weltweit bis 2055 abgeschlossen sein werden, in Deutschland bereits 2045. Bis dahin sind auch bereits erste Maßnahmen im großen Maßstab etabliert, um Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre zu entfernen. Diese Maßnahmen werden innerhalb der nächsten 20 Jahre, also bis etwa 2060, zu ihrer maximalen Kapazität ausgebaut. Die Entwicklung der ärmeren Regionen der Welt wird bis 2070 soweit fortgeschritten sein, dass Menschen nach dieser Entwicklungswende in allen Ländern gut leben können. Dann erst wird auch die Weltbevölkerung stabilisiert sein. Zwar wurde auch in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend darauf geachtet, dass stoffliche Kreisläufe durch zunehmendes Recycling immer weiter geschlossen werden. Erst nach der Energiewende steht ausreichend erneuerbare Energie zur Verfügung, um auf ein vollständiges Schließen der Stoffkreisläufe hinzuarbeiten. Durch die zunehmende Entwicklung vormals ärmerer Regionen wird der materielle Bedarf steigen, der zu einer besseren Kreislaufführung zunächst in den Sektoren führt, in denen die Ausgangsstoffe knapp sind, beispielsweise bei Handys und Computern. Nachdem die Maßnahmen für negative Emissionen voll ausgebaut sind und die Entwicklungswende praktisch abgeschlossen ist, stehen dann auch genügend finanzielle Mittel bereit, die Entwicklung hin zu einer Kreislaufwirtschaft so zu forcieren, dass diese bis 2100 vollständig erreicht sein wird.