Langsam

Klima & Atmosphäre

Langsam

Text
Hartmut Graßl

Lektorat
Lea Musiolek

Review
Ernst Pöppel

Illustration

2040 – Was wir erreicht haben

Der Energiehaushalt der Erde wird weiterhin stark durch uns beeinflusst. Indem wir die Konzentrationen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan und Lachgas erhöhen, tragen wir Menschen maßgeblich zur globalen Erwärmung bei, die wiederum uns selbst bedroht. Der erhöhte Treibhauseffekt der Atmosphäre bestimmt unser Leben bereits ganz wesentlich mit. Bis 2040 hat die Zahl der Menschen auf dem Planeten weniger zugenommen als die meisten von uns 2024 glaubten. Die Zuwachsrate der globalen Bevölkerung liegt wesentlich unter einem Prozent pro Jahr, sodass 2040 „nur“ etwa 9,5 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Das Maximum wird um etwa 2080 erreicht sein. 

Da außerdem in allen Ländern die eindeutig preiswerteste Energie der elektrische Strom aus Photovoltaik ist, hat die früher starke Öllobby inzwischen schlechte Karten. Weiterhin sind die innovativsten Länder noch immer die demokratisch regierten Industrieländer, die sich den Zielen des von ihnen ernster genommenen Paris-Abkommens schneller nähern. Das liegt nicht nur daran, dass die Energiewende hin zu einer vollen Versorgung mit erneuerbaren Energien hier leichter fällt. Es liegt auch daran, dass die Exportchancen für die mit neuen Techniken hergestellten Industrieprodukte sie beflügeln. Sie ziehen dadurch weiterhin die anderen Länder mit. 

Schon in den 2030er Jahren ist die mittlere globale Erwärmung der Luft nahe der Erdoberfläche eindeutig über 1,5°C angestiegen, sodass jetzt Maßnahmen zur Verhinderung des Austritts von Kohlendioxid in die Atmosphäre, z. B. bei der Zementproduktion, und zur Speicherung in früheren Öl- und Gaslagerstätten weit über Pilotprojekte hinausgewachsen sind. Die steigenden Verluste und die Schäden durch Wetterextreme nehmen wegen der weiteren Erwärmung der Erdoberfläche zu. Allerdings werden einige der Verluste und Schäden in den weniger entwickelten Ländern durch den bei der Klimakonferenz 2023 gestarteten Fonds kompensiert. Das klappt allerdings nur dann, wenn die Verursachung einer Naturkatastrophe durch den Treibhauseffekt von einem wissenschaftlichen Gremium der Vereinten Nationen bestätigt wurde. Vor allem die negativen Folgen für die Wirtschaft durch die immer extremer gewordenen Hitzewellen in den stark bevölkerten Tropen (Westafrika) und Subtropen (Pakistan und Nordindien) führen zu verstärkter Migration innerhalb dieser Regionen, aber auch nach EU-Europa.

Dass der Kipppunkt des Inlandeises in Grönland überschritten ist, wird kaum noch bestritten, und auch sein Beitrag zum immer rascheren Meeresspiegelanstieg ist der dominante Faktor geworden. Dadurch werden die Sturmfluten bei den ohnehin intensiveren tropischen Wirbelstürmen noch verheerender. In fast allen Ländern wird der Schutz vor dem zunehmenden Starkregen vorangetrieben, gleichzeitig kommt es zu immer neuen Rekordüberschwemmungen auch bei verbessertem Schutz. Trotzdem bleiben in den semi-ariden Gebieten die zunehmenden Dürren die Hauptbedrohung des Klimawandels. Sie erhöhen den Migrationsdruck auf die Länder der höheren mittleren Breiten weiter.

Die Menschheit büßt jetzt für den fast fehlenden Klimaschutz in den ersten Jahrzehnten nach dem Beschluss des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen von 1992. Immer mehr unserer Mittel müssen, statt für Klimaschutz, für die Beseitigung der Schäden durch den Klimawandel sowie für die Anpassung an die bereits drastischen Klimaänderungen ausgegeben werden.

Die Maßnahmen, die wir auf den Weg brachten

Die Hauptbestandteile der Luft, nämlich Stickstoff und Sauerstoff mit annähernd 99% Anteil an der gesamten Atmosphäre werden von uns Menschen nicht wesentlich verändert, trotz noch immer steigender Bevölkerung. Der Energiehaushalt des Planeten Erde wird jedoch von den sehr kleinen Beimengungen in der Atmosphäre wie Wasserdampf, Kohlendioxid, und Aerosolteilchen sowie Wasser und Eis in den Wolken dominiert. Damit haben wir Menschen einen massiven energetischen Hebel in der Hand, denn unser Wirtschaften erhöht die Konzentrationen der Spurengase Kohlendioxid, Methan und Lachgas sowie die Lufttrübung. Die Zukunft der Menschheit wird ganz wesentlich von der dadurch verursachten Erwärmung mitbestimmt. 

Die globalen Klimaänderungen durch den Menschen sind seit der 1. Weltklimakonferenz der Weltmeteorologie-Organisation (WMO) im Jahre 1979 ein Thema für die internationale Politik.World Meteorological Organization (1979): Declaration of the World Climate Conference. https://dgvn.de/fileadmin/user_upload/DOKUMENTE/WCC-3/Declaration_WCC1.pdf 

Seit Juni 1992 sind die anthropogenen Klimaänderungen Rahmenkonvention über Klimaänderungen der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) auf der globalen Politikbühne präsent.United Nations (1992): United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC. https://unfccc.int/files/essential_background/background_publications_htmlpdf/application/pdf/conveng.pdf Die UNFCCC ist seit März 1994 – nachdem mehr als 50 Länder sie ratifiziert hatten – völkerrechtlich verbindlich. Die 1. Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP1) der UNFCCC fand im Frühjahr 1995 in Berlin statt und wurde von der damaligen deutschen Umweltministerin Angela Merkel geleitet.Conference of the Parties (1995): REPORT OF THE CONFERENCE OF THE PARTIES ON ITS FIRST SESSION, HELD AT BERLIN FROM 28 MARCH TO 7 APRIL 1995. https://unfccc.int/cop5/resource/docs/cop1/07a01.pdf Kurz nach COP1 war in der Klimawissenschaft durch den 2. Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe 1 des Zwischenstaatlichen Ausschusses über KlimaänderungenIPCC (1995): IPCC Second Assessment Climate Change 1995: A REPORT OF THE INTERGOVERNMENTAL PANEL ON CLIMATE CHANGE. https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/05/2nd-assessment-en-1.pdf klargestellt worden, dass die weltweiten Beobachtungen der Lufttemperatur folgende Aussage erlauben: „Alle Befunde deuten auf einen erkennbaren Einfluss des Menschen auf das globale Klima hin“. Hauptgrund für diese erste Bestätigung waren Veröffentlichungen von Klaus Hasselmann am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, in denen das Herauswachsen des anthropogenen (= von Menschen verursachten) Signals aus der natürlichen Klimavariabilität mit der sogenannten Fingerabdruck-Methode gezeigt wurde.Hasselmann, K., Bengtsson, L., Cubasch, U., Hegerl, G. C., Rodhe, H., Roeckner, E., et al. (1995): Detection of anthropogenic climate change using a fingerprint method. In P. Ditlevsen (Ed.), Modern dynamical meteorology: Proceedings from a symposium in honor of Prof. Aksel Wiin-Nielsen (pp. 203-221). Copenhagen: University of Copenhagen. Department of Geophysics. https://hdl.handle.net/21.11116/0000-0000-3F03-7 Dies erwirkte bei COP3 im Dezember 1997 das Kyoto-Protokoll.United Nations (1998): KYOTO PROTOCOL TO THE UNITED NATIONS FRAMEWORK CONVENTION ON CLIMATE CHANGE. https://unfccc.int/resource/docs/convkp/kpeng.pdf Es verpflichtete nur Industrieländer zu einer für jedes Land festgelegten Reduktion der Kohlendioxid-Emission – überprüft durch die über 2008 bis 2012 gemittelten Emissionen. Für Deutschland waren es laut einer EU-Regelung 21%. Sogar 23,6 % wurden erreicht.Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (o.D.): Klimaschutz. https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Industrie/klimaschutz.html

Es dauerte jedoch bis zur COP21 im Jahre 2015, als ein verpflichtendes Protokoll, das Paris-Abkommen, einstimmig verabschiedet wurde, das alle Länder zu Emissionsminderungen verpflichtete.United Nations (2015): Paris Agreement. https://unfccc.int/sites/default/files/english_paris_agreement.pdf Die Beiträge zu den Emissionsminderungen eines Vertragsstaates sind jedoch freiwillig, was die Zustimmung ähnlich erleichterte wie die drastische Preissenkung für Energie bei Windenergie- und Fotovoltaik-Anlagen in den Jahren vor COP21. Die Vertragsstaaten mussten deshalb beim Umstieg auf erneuerbare Energien keine wirtschaftlichen Einbußen und damit weniger Widerstand aus der Bevölkerung befürchten. Dennoch fielen die Emissionen bis in die 2020er Jahre viel zu hoch aus, und die versprochenen Minderungsziele blieben bescheiden. Das führte im Jahre 2023 zu Erwärmungs-Vorhersagen von über 2,5°C für 2100, also einer drastischen Verfehlung des Hauptzieles des Paris-Abkommens „wesentlich unter 2°C“.IPCC (2023): Summary for Policymakers. In: Climate Change 2023: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, H. Lee and J. Romero (eds.)]. IPCC, Geneva, Switzerland, pp. 1-34, doi: 10.59327/IPCC/AR6-9789291691647.001. https://www.ipcc.ch/report/ar6/syr/downloads/report/IPCC_AR6_SYR_FullVolume.pdf Climate Action Tracker (2023): 2100 Warming Projections: Emissions and expected warming based on pledges and current policies. December 2023. Available at: https://climateactiontracker.org/global/temperatures/. Copyright ©2023 by Climate Analytics and NewClimate Institute. All rights reserved. Collins, M., R. Knutti, J. Arblaster, J.-L. Dufresne, T. Fichefet, P. Friedlingstein, X. Gao, W.J. Gutowski, T. Johns, G. Krinner, M. Shongwe, C. Tebaldi, A.J. Weaver and M. Wehner (2013): Long-term Climate Change: Projections, Commitments and Irreversibility. In: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Stocker, T.F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA. https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/02/WG1AR5_Chapter12_FINAL.pdf Die Erwärmung hat schon 2024 das für 2100 angestrebte Zusatzziel von 1,5°C beinahe erreicht. Deshalb wurden zu dieser Zeit Methoden um das Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu holen heiß diskutiert und von einigen Vertragsstaaten bereits begonnen. Dazu zählen Aufforstung und bodenschonende landwirtschaftliche Praktiken, aber auch die Verpressung von Kohlendioxid in frühere Erdöl- und Erdgas-Lagerstätten.