Text (Stand 30.07.24)
Jörg Priess
Friedrich J. Bohn
Tina Heger
Lektorat
Lea Musiolek
Isabel Schmittknecht
Andrea Kamphuis
Review
Lucie Chmelikova
Sebastian Wolfrum
Anonymus
Illustration
Carla Böwering
Die Ausgangslage
Noch in den 2020er Jahren verbrauchten wir ständig neue Flächen für Verkehr und Siedlungen, und die Landwirtschaft war voller eintöniger Monokulturen. Unsere vielen Wälder dienten vor allem der Forstwirtschaft und hatten wenig Artenvielfalt.Thünen-Institut. Pressemitteilung 24.02.2021: Wald im Trockenstress: Schäden weiten sich weiter aus – Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2020 zeigen: Die anhaltenden Dürrejahre fordern Tribut. https://www.thuenen.de/de/infothek/presse/aktuelle-pressemitteilungen/wald-im-trockenstress-schaeden-weiten-sich-weiter-aus/ (2021) Mit unserer intensiven wirtschaftlichen Nutzung der Natur hatten wir die biologische Vielfalt massiv verringertRaven, P. H. & Wagner, D. L. Agricultural intensification and climate change are rapidly decreasing insect biodiversity. PNAS 118, (2021) Wagner, D. L. Insect declines in the anthropocene. Annu. Rev. Entomol. 65, 457–480 (2020) Newbold, T. et al. Global effects of land use on local terrestrial biodiversity. Nature 520, 45–50 (2015) Tsiafouli, M. A. et al. Intensive agriculture reduces soil biodiversity across Europe. Glob Chang Biol 21, 973–985 (2015) und starke Bodenerosionen verursacht.Panagos, P. et al. The new assessment of soil loss by water erosion in Europe. Environmental Science & Policy 54, 438–447 (2015) Panagos, P. et al. Estimating the soil erosion cover-management factor at the European scale. Land Use Policy 48, 38–50 (2015)
In der Vergangenheit haben Grüne Revolution und Flurbereinigung bereits zu einem massiven Verlust von historischer Kulturlandschaft und biologischer Vielfalt geführt, sowie zu Bodendegradation durch Wind- und Wassererosion und einer Monotonisierung der Landschaft. Dies ist ein weltweites Muster der Umgestaltung von Landschaften.WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen et al. Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. Hauptgutachten. 415 https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/landwende (2020) SRU Sachverständigenrat für Umweltfragen & WBBGR Wissenschaftlichen Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen. Für einen flächenwirksamen Insektenschutz. 51 https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2016_2020/2018_10_AS_Insektenschutz.html (2018) Heißenhuber, A., Haber, W. & Krämer, C. Umweltprobleme der Landwirtschaft – 30 Jahre SRU-Sondergutachten. 16 https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltprobleme-der-landwirtschaft-30-jahre-sru (2015)
Die Nationale Akademie der Wissenschaften schreibt: „Die Ursachen für den Rückgang an Tier- und Pflanzenarten liegen in einem Zusammenspiel vieler Faktoren: die Zunahme von ertragreichen, aber artenarmen Ackerbaukulturen, die vorbeugende und oft flächendeckende Nutzung von Pflanzenschutzmitteln, intensive Düngung, die Erhöhung der Schlaggrößen, der Verlust von artenreichem Grünland und ein struktureller Wandel der Nutztierhaltung hin zu größeren Betrieben mit weniger Weidehaltung, der Verlust der Strukturvielfalt der Landschaft, aber auch der Verlust der Vernetzung von Schutzgebieten. Diese Ursachen sind im Wesentlichen bedingt durch die Intensivierung der Landnutzung und durch biologisch-technische Innovationen für die Erreichung von Produktionszielen“Leopoldina, acatech, & Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Energiewende 2030: Europas Weg zur Klimaneutralität. https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2020_Energiewende_2030_Final.pdf (2020) [Seite 3].
Moore und Auwälder, die ebenso wie der Wald Kohlenstoff speichern, waren auf etwa 5 % ihrer ursprünglichen Fläche reduziertNABU – Naturschutzbund Deutschland e.V. Moore in Deutschland – Entstehung und Zerstörung der heimischen Moorlandschaften. Moore in Deutschland https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/moore/deutschland/index.html (2021) und beschädigt. Nationalparks bedeckten lediglich 0,5 % der Landfläche.BfN Bundesamt für Naturschutz. Handlungserfordernisse zur Ausgestaltung des nationalen GAP-Strategieplans. https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/landwirtschaft/Dokumente/20210108_Positionspapier_GAP2023.pdf (2021)
Das Klimaschutzgesetz von 2021 schreibt für die Ökosysteme (Landwirtschaft, Forst, Moore etc.) in Deutschland eine CO2-Senkenleistung von mindestens 25 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2030, 35 Mio. Tonnen im Jahr 2040 und 40 Mio. Tonnen im Jahr 2045 vor. Zwischen 2010 und 2019 lag die Senkenleistung im Mittel bei etwa 19 Mio. Tonnen CO2-ÄquivalentenUBA Umweltbundesamt. Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen. https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen (2021)
Und wozu das alles? Ungefähr die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche erzeugte Tierfutter. Gleichzeitig lieferten uns tierische Nahrungsmittel einen vergleichsweise kleinen Anteil der benötigten Nährstoffe.FAO Food and Agriculture Organization of the United Nations. FAOSTAT Food and agriculture data. FAOSTAT Food and Agriculture Organization of the United Nations http://www.fao.org/faostat/en/#data (2021) Fläche ist endlich. Durch die Tierfutterproduktion blieb uns wenig Raum für den Anbau von Nahrungsmitteln und Rohstoffen, für Infrastruktur und so weiter.
Das alles haben wir erkannt und trotzdem nur reagiert, wo wir nicht anders konnten. Das waren nur Tropfen auf den heißen Stein – das wussten wir auch.
2040 – Was wir erreicht haben
Die Agrarlandschaften haben sich durch die fortgesetzte Konzentration und Vergrößerung der Betriebe und Felder deutschlandweit weiter vereinheitlicht. Die Digitalisierung hatte eine neue Flurbereinigungs-Welle zur Folge, denn es ergaben sich neue Möglichkeiten der Flächenverwaltung und für den Einsatz von Großgeräten. Nicht Nachhaltigkeit, sondern Kostenoptimierung ist nach wie vor das Hauptziel der Landwirtschaft in Deutschland.
Zur Förderung der Biodiversität setzen Landwirt:innen nach wie vor auf Blühstreifen und ähnliche einjährige, von der EU geförderte Maßnahmen. Mehrjährige Maßnahmen wie die Anlage von Hecken bleiben eher die Ausnahme. Da Pestizide weiter in großem Umfang verwendet werden, konnte sich der Insektenbestand nicht erholen.SRU Sachverständigenrat für Umweltfragen & WBBGR Wissenschaftlichen Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen. Für einen flächenwirksamen Insektenschutz. 51 https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2016_2020/2018_10_AS_Insektenschutz.html (2018) Nur im Biolandbau und in der extensiven Tierhaltung gibt es noch artenreiche landwirtschaftliche Flächen. Die dafür notwendigen Förderungen sind unzureichend, wurden aber nicht ausgeweitet.
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Das „Business as usual“-Szenario inLomba, A. et al. Back to the future: rethinking socioecological systems underlying high nature value farmlands. Frontiers in Ecology and the Environment 18, 36–42 (2020) vertritt eine vergleichbare Sichtweise: Wenn man nicht innovative Wege findet, wie artenreiches Agrarland nachhaltig und auch sozial verträglich weiter bewirtschaftet werden kann, wird sein Schutz mit erheblichen Kosten verbunden sein.
Aufgrund der Folgen des Klimawandels ist Land- und Forstwirtschaft heute in Deutschland schwierig und musste mancherorts sogar ganz aufgegeben werden. Die Landwirtschaft leidet vor allem im Nordosten des Landes unter der starken Winderosion. Die immer häufigeren Starkregenereignisse führen außerdem vielerorts immer wieder zu Wassererosion. Das größte Problem stellt jedoch zunehmende Trockenheit dar. Insbesondere im Frühjahr gibt es lange Phasen ohne Regen. Immer mehr und größere landwirtschaftliche Flächen werden inzwischen bewässert. Wegen sinkender Grundwasserspiegel und Niedrigwasser in Flüssen mussten aber immer öfter regionale Bewässerungsverbote im Ackerbau erlassen werden. Vertreter:innen des Bauernverbands kritisieren die seit Jahren andauernden Wassernutzungskonflikte und die unbefriedigende Situation für Landwirt:innen.
Aus einem Gutachten von 2020: „Ein Blick auf die Verluste fruchtbarer Böden gibt einen Hinweis auf die Dynamik der Landdegradation: Es wird geschätzt, dass die Bodenerosion auf landwirtschaftlichen Feldern derzeit 10- bis 20-mal (keine Bodenbearbeitung) bis mehr als 100-mal (konventionelle Bodenbearbeitung) höher ist als die Bodenbildungsrate. Gegenwärtig beeinträchtigt die Degradation der Landoberfläche der Erde durch menschliche Aktivitäten das Wohlergehen von mindestens 3,2 Mrd. Menschen“WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen et al. Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. Hauptgutachten. 415 https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/landwende (2020), [Seite 18]. Zwischen 1999 und 2013 zeigten 12% der bewachsenen Landoberfläche in Europa abnehmende oder instabile Produktivität (Cherlet et al. 2018, zitiert nachWBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen et al. Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. Hauptgutachten. 415 https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/landwende (2020)). Bei Verschärfung der Klimakrise ist mit einer weiteren Abnahme der Produktivität zu rechnen.WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen et al. Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. Hauptgutachten. 415 https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/landwende (2020) Es gibt außerdem wissenschaftliche Belege dafür, dass der Rückgang biologischer Vielfalt in der Agrarlandschaft Folgen für die Funktionsfähigkeit der Agrarökosysteme hat.Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Biodiversität und Management von Agrarlandschaften – Umfassendes Handeln ist jetzt wichtig. https://www.leopoldina.org/presse-1/nachrichten/biodiversitaet-und-management-von-agrarlandschaften/ (2020)
Unter der Schlagzeile „Rettet den deutschen Wald“ kommentiert eine Boulevardzeitung gerade heute wieder die nächste Verhandlungsrunde der Bundesregierung mit Investor:innen, die Golfplätze auf großen bundeseigenen Flächen planen, auf denen Fichtenwälder aufgrund von Trockenheit und folgendem Schädlingsbefall großflächig abgestorben sind. Die Verhandlungen stocken vor allem wegen des großen Bewässerungsbedarfs, der Genehmigung der teilweise in Schutzgebieten geplanten Hotels und der unzureichenden Aussagen der Investor:innen zu geplanten Wiederaufforstungsmaßnahmen. Naturschutzverbände laufen seit Monaten Sturm gegen die Verhandlungen und verweisen auf den zwar langsamen, aber schrittweise erfolgreichen Waldumbau mit trockentoleranten Laubbaumarten.
Der Ausbau des 6G-Netzes ist flächendeckend abgeschlossen. Während der Corona-Pandemie hatten viele Betriebe, Selbstständige und Angestellte den Vorteil des Arbeitens von zu Hause aus entdeckt. Beide Entwicklungen zusammen haben die Attraktivität des ländlichen Raums als Lebens- und Arbeitsraum deutlich gesteigert. Die Wiederentdeckung des ländlichen Raums und Verlangsamung der anhaltenden Verstädterung wurden von der Bundesregierung und vielen ländlichen Kommunen unterstützt – sowohl mit gezielten Kampagnen als auch mit dem Ausbau von Infrastruktur wie Straßen und Gewerbegebieten. Die Folge war eine weitere Versiegelung und Zersiedelung der Landschaft, vielfach verbunden mit zunehmendem Druck auf angrenzende Schutzgebiete und die darin lebenden Arten.
Die Maßnahmen, die wir auf den Weg brachten
Schon in den 2020er Jahren wurden mit Unterstützung des Deutschen Bauernverbandes EU-weite Pestizidverbote aufgeweicht. Die deutschen Umweltverbände und der Spitzenverband der ökologischen Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) bewerteten das sehr kritisch: Ihre Bemühungen um eine Wiederherstellung ausreichender Bestäuberleistungen würden dadurch unterlaufen. Das Landwirtschaftsministerium dagegen betonte die rückläufigen Gewässerbelastungen mit Stickstoff und Spritzmittelrückständen und appellierte an die Landwirt:innen, die wieder zugelassenen Produkte nur sehr zielgerichtet und in möglichst geringer Dosierung einzusetzen. Es gelte, die nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten erreichten Wasserqualitäten nicht zu gefährden und weitere Klagen der EU und von Umweltverbänden wegen Nichteinhaltung der Wasserrahmenrichtlinie zu vermeiden.
Nach den starken Waldschäden aufgrund von Dürre und Schädlingsbefall seit 2018 mussten viele Flächen neu aufgeforstet werden. Hierbei wurde weitgehend auf die Anpflanzung von Monokulturen verzichtet. Angepflanzt wurden und vor allem Laubbaumarten sowie Douglasien für zukünftige klimatolerante Mischwälder. Gleichwohl bleibt der deutsche Wald ein Sorgenkind, da die Wiederaufforstung aufgrund anhaltender Dürrejahre mit vielen Rückschlägen und Verlusten verbunden ist. Damit zerschlugen sich die Hoffnungen, mit deutschen Wäldern zum Beispiel über eine vermehrte Kohlenstoffspeicherung im Holz und in den Böden zur Reduktion des Klimawandels beitragen zu können.
Ohne die starken, durch Trockenheit verursachten Waldschäden könnten neu angelegte Mischwälder in Deutschland bereits in den ersten 20 Jahren durchschnittlich zwischen 5 und 10t CO2/ha und Jahr binden. In den folgenden 20 Jahren würde sich die jährliche Kohlenstoffbindung dann wegen des anhaltenden Wachstums sogar mehr als verdoppeln (Paul et al. 2009, zitiert nach,Naturkapital Deutschand – TEEB (UFZ Helmholtz Zentrum für Umweltforschung) et al. Ökosystemleistungen in ländlichen Räumen – Grundlage für menschliches Wohlergehen und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. 372 https://www.ufz.de/export/data/global/190505_TEEB_DE_Landbericht_Langfassung.pdf (2016) [Seite 162]). Mit der sogenannten Bonn-Challenge (Link) haben sich 61 Staaten das Ziel gesetzt, zwischen 2011 und 2020 150 Mio. ha degradierter und entwaldeter Landfläche wieder mit Bäumen zu bepflanzen, bis 2030 sogar 350ha. Bis 2019 wurden 26,7 Mio. ha tatsächlich aufgeforstet – ein Bruchteil der versprochenen Fläche. Entgegen der im Zukunftsbild Langsam für Deutschland angenommenen zukünftigen Entwicklung wurde bislang weltweit betrachtet auf rund der Hälfte dieser Fläche kein artenreicher Wald angelegt, sondern Monokulturen und Plantagen gepflanzt.WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen et al. Landwende im Anthropozän: Von der Konkurrenz zur Integration. Hauptgutachten. 415 https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/landwende (2020)